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Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Kinderstimme zu hören, schon denke ich für einen Moment, das wäre sie. Das tut weh, Mr. Cowart. Das tut richtig weh. Oder ich komm morgens runter, um mir eine Tasse Kaffee zu machen. Dann sitze ich hier und starre auf die Bilder, so wie Sie gerade eben. Und dann hab ich nur noch den einen Gedanken, dass es nicht passiert ist, dass alles so ist wie früher: Sie kommt jeden Moment aus ihrem Zimmer gestürmt, glücklich und voller Tatendrang, und freut sich auf den kommenden Tag. So war sie nämlich, ein Sonnenschein.«
    Zwar traten dem kräftigen Mann bei diesen Worten die Tränen in die Augen, doch seine Stimme blieb fest.
    »Ich geh ein bisschen häufiger als früher in die Kirche; ist irgendwie tröstlich. Und wissen Sie was, Mr. Cowart? Die Wunden reißen immer wieder auf, bei dem kleinsten Anlass. Vor einem Jahr hab ich im Fernsehen eine Sendung über die Kinder gesehen, die in Äthiopien verhungern. Ich meine, das ist am anderen Ende der Welt, und ich bin, außer damals bei der Army, nie aus Nordflorida rausgekommen. Aber jetzt spende ich Hilfsorganisationen jeden Monat Geld. Hundert hier, hundert dort. Ich konnte es einfach nicht ertragen, dass kleine Babys sterben sollen, weil sie nichts zu essen bekommen. Der Gedanke war einfach zu quälend. Ich musste dran denken, wie sehr ich mein Baby geliebt habe, und das wurde mir genommen. Also hab ich es wohl für sie getan. Schätze, ich bin nicht mehr ganz bei Verstand. Stehe im Laden, sortiere die Quittungen, es wird spät, und plötzlich erinnere ich mich, wie ich mal so spät von der Arbeit kam, dass ich das Abendessen mit den Kindern verpasst hab und sie schon im Bett waren, besonders meine Kleine, und ich bin noch zu ihr rein und hab für einen Moment zugeschaut, wie sie schlief. Als mir das wieder einfiel, konnte ich es einfach nicht ertragen, weil ich ihr Lachen, ihr fröhliches Grinsen an jenem Abend nicht gesehen hatte. Diese Momente waren so kurz, viel zu selten, kostbar wie Diamanten.«
    George Shriver lehnte den Kopf zurück und starrte zur Decke. Er atmete schwer, schwitzte am ganzen Körper, und sein weißes Hemd hob und senkte sich heftig, als er nach Luft rang und mit den Erinnerungen kämpfte.
    Seine Frau saß unterdessen reglos da, doch sie hatte rote Augen, und ihr zitterten die Hände im Schoß. »Wir sind nichts Besonderes, Mr. Cowart«, sagte sie langsam. »George hat hart gearbeitet und was aus sich gemacht, damit es die Kinder mal besser haben. George junior wird Ingenieur. Anne ist ein Ass in Chemie und Naturwissenschaften. Sie hat die Chance, Medizin zu studieren.«
    Für einen Moment blitzten ihre Augen vor Stolz. »Wer hätte das gedacht! Eine Ärztin in unserer Familie. Wir haben einfach nur hart gearbeitet, damit sie mal was Besseres werden.«
    »Sagen Sie mir«, fing Cowart behutsam an, »wie Sie über Robert Earl Ferguson denken.«
    Während sie ihre Gedanken ordneten, herrschte beredtes Schweigen. Er sah, wie Betty Shriver tief Luft holte, bevor sie antwortete.
    »Es ist ein Hass, der weit über jeden Hass hinausgeht«, sagte sie. »Es ist eine fürchterliche, unchristliche Wut, Mr. Cowart. Es ist ein entsetzlicher, blinder Zorn, der einen nie verlässt.«
    George Shriver schüttelte den Kopf. »Es gab eine Zeit, da hätte ich ihn mit eigenen Händen umbringen können, einfach so. Hätte mir kaum mehr dabei gedacht als beim Totschlagen einer Mücke. Ich kann nicht sagen, ob das heute immer noch so ist. Wissen Sie, wir leben hier in einer konservativen Gemeinde. Die Leute gehen zur Kirche. Grüßen die Fahne, sprechen ein Tischgebet vor dem Essen und wählen die Republikaner, seit die Demokraten vergessen haben, wofür sie stehen. Ich glaube, wenn Sie sich auf der Straße wahllos zehn Leute rausgreifen würden, dann würden sie sagen: ›Nein, bringt den Burschen nicht auf den elektrischen Stuhl; schickt ihn hierher zurück, damit wir ihn uns vorknöpfen können.‹ Vor fünfzig Jahren hätten sie ihn gelyncht, was sag ich, vor nicht mal fünfzig Jahren. Die Dinge ändern sich. Aber je mehr Zeit seitdem vergangen ist, desto mehr habe ich das Gefühl, als wären wir verurteilt worden, nicht nur er. Es vergehen Monate, Jahre. Er hat all diese Anwälte, die für ihn arbeiten, und dann hören wir von noch einer Berufung, noch einer Anhörung oder was weiß ich, und es kommt einem so vor, als wäre es gestern gewesen. Wir können es nie hinter uns lassen. Sicher, das kann man sowieso nicht, aber wenigstens sollte man die Chance bekommen,

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