Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
schwarz.
»Stimmt was nicht?«, fragte Tanny Brown.
»Nein, nein«, antwortete Cowart, als er sich wieder fasste. »Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass Sie Afroamerikaner sind.«
»Glaubt man bei Ihnen in der City, hier oben im hintersten Winkel von Florida lebten nur Ureinwohner wie unser Freund Wilcox?«
»Nein. Ich war nur überrascht. Tut mir leid.«
»Kein Problem. Offen gesagt«, fuhr der Polizist in sachlichem Ton und ohne Südstaatenakzent fort, »bin ich daran gewöhnt. Wenn Sie nach Mobile, Montgomery oder Atlanta kommen, werden Sie staunen, wie viele Schwarze Sie da in Polizeiuniform sehen. Die Dinge ändern sich, und ob Sie’s glauben oder nicht, sogar bei der Polizei.«
»Wieso sollte ich daran zweifeln?«
»Sie sind nur hergekommen«, folgte die schlichte Erklärung, »weil Sie den Mist glauben, den dieser verfluchte Mörder und seine Anwälte Ihnen aufgetischt haben.«
Cowart antwortete nicht. Er nahm einfach wieder Platz und sah zu, wie sich der Lieutenant auf den Stuhl setzte, den bis dahin Wilcox eingenommen hatte. Der Detective holte sich einen Klappstuhl und setzte sich neben seinen Chef.
»Glauben Sie das, was die Ihnen erzählen?«, fragte Brown unvermittelt.
»Wieso fragen Sie? Spielt es für Sie eine Rolle, was ich glaube und was nicht?«
»Na ja, würde die Sache vereinfachen. Sie könnten sagen, ja, Sie glauben, dass wir das Geständnis aus dem Jungen rausgeprügelt haben, und dann wären wir mit unserem Gesprächsstoff auch schon mehr oder weniger durch. Ich würde sagen, nein, haben wir nicht, das ist absurd, das könnten Sie dann in Ihr kleines Notizbuch schreiben, Ende der Diskussion. Sie bringen Ihren Artikel, und dann sehen wir weiter.«
»Ich glaube nicht, dass die Dinge so simpel liegen«, antwortete Cowart.
»Hatte ich auch nicht angenommen«, erwiderte Brown. »Was wollen Sie also wissen?«
»Alles, von Anfang an. Besonders interessiert mich, wie Sie auf Ferguson gekommen sind, und dann möchte ich gerne wissen, wie es zu diesem Geständnis kam. Und lassen Sie nichts aus. Würden Sie das nicht zu jemandem sagen, den Sie befragen wollen?«
Tanny Brown machte es sich bequem und lächelte, wenn auch nicht, weil ihm etwas Freude bereitete. Er drehte sich schweigend auf seinem Bürostuhl hin und her, ohne Cowart aus den Augen zu lassen.
»Robert Earl stand von dem Moment an, als wir die Leiche des Mädchens entdeckten, auf der kurzen Liste der Hauptverdächtigen auf Platz eins.«
»Und wieso?«
»Weil er schon bei anderen Übergriffen der Hauptverdächtige war.«
»Was? Das ist mir neu. Was für Übergriffe?«
»Ein halbes Dutzend Vergewaltigungen, im County Santa Rosa und hinter der Grenze in Alabama, in der Nähe von Atmore und Bay Minette.«
»Welche Beweise haben Sie, dass er in andere Gewalttätigkeiten verwickelt war?«
Brown schüttelte den Kopf. »Keine Beweise. Er kam der Personenbeschreibung am nächsten, die wir zusammen mit den dortigen Kollegen erarbeitet haben. Außerdem fanden sämtliche Vergewaltigungen statt, wenn er gerade nicht am College war und in den Ferien seine Großmutter besuchte.«
»Ja, und?«
»Das ist alles.«
Cowart schwieg einen Moment. »Das ist alles? Keinerlei forensische Beweise, die ihn mit diesen anderen Delikten in Verbindung bringen? Ich nehme mal an, Sie haben den Frauen sein Foto gezeigt?«
»Ja. Keine konnte ihn identifizieren.«
»Und das Haar, das Sie in seinem Wagen gefunden haben und das nicht von Joanie Shriver stammte, zweifellos haben Sie das mit den Opfern dieser anderen Fälle abgeglichen?«
»Ja.«
»Und?«
»Keine Übereinstimmungen.«
»Der Modus Operandi bei diesen anderen Delikten – glich er dem der Entführung der kleinen Shriver?«
»Nein. Bei allen diesen Fällen gab es Übereinstimmungen, aber auch Unterschiede. In manchen Fällen wurde das Opfer mit einer Pistole bedroht, in anderen mit einem Messer. Ein paar Frauen wurden auf dem Heimweg verfolgt. Eine draußen beim Joggen. Kein einheitliches Handlungsmuster.«
»Waren es immer Weiße?«
»Ja.«
»So jung wie Joanie Shriver?«
»Nein, alles erwachsene Frauen.«
Cowart schwieg und wog seine nächste Frage ab.
»Lieutenant, kennen Sie die Statistik des FBI über Vergewaltigungen weißer Opfer durch schwarze Täter?«
»Nein, klären Sie mich auf.«
»Unter vier Prozent der landesweit gemeldeten Fälle. Entgegen dem Stereotyp und der Paranoia. Wie viele Vergewaltigungen weißer Frauen durch schwarze Männer sind Ihnen vor Robert
Weitere Kostenlose Bücher