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Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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nach hinten und beäugte den Reporter erwartungsvoll. »Jetzt wüsste ich gerne was von Ihnen, Cowart.«
    »Was?«
    »Haben Sie jemals erlebt, wie es ist, die Macht über Leben und Tod in Händen zu haben? Kennen Sie diese Macht über einen Menschen, der Ihnen restlos ausgeliefert ist? Leben und Tod einzig und allein in Ihrer Hand. Haben Sie das schon mal erlebt, Cowart?«
    »Nein.«
    »Die beste Droge, die es gibt, als jagten Sie sich mit der Nadel Strom ins Herz. Zu wissen, das Leben eines anderen ist in Ihrer Hand …«
    Er reckte die Hand in die Höhe, als hielte er darin eine Frucht, und schloss die Faust. Die Kette seiner Handschellen rasselte in der Metallhalterung. »Ein paar Dinge sollten Sie wissen, Cowart.« Er verstummte und starrte den Reporter an. »Erstens: Ich strotze vor Kraft. In Ihren Augen mag ich ein hilfloser Häftling in Handschellen und Fußfesseln sein, den sie Tag und Nacht in eine Zelle von zwei zehn mal zwei vierzig sperren, aber ich besitze eine Macht, die über diese Gitter hinausreicht. Weit darüber hinaus. Wenn ich will, kann ich mit jedem in Berührung kommen, so mühelos, als würde ich seine Telefonnummer wählen. Niemand ist außerhalb meiner Reichweite, Cowart. Niemand.«
    Er hielt inne und fragte: »Haben Sie das verstanden?«
    Cowart nickte.
    »Zweitens: Ich werde Ihnen nicht verraten, ob ich dieses kleine Mädchen getötet habe oder nicht. Überlegen Sie doch mal, wenn ich Ihnen die Wahrheit sagen würde, wäre die Sache allzu simpel. Und wieso sollten Sie mir glauben? Besonders nach all den Dingen, die über mich in der Zeitung standen. Wie glaubwürdig werde ich wohl sein? Wenn Sie wissen, wie leicht es für mich ist, jemanden zu ermorden, was glauben Sie dann, welche Überwindung es mich kostet zu lügen?«
    Cowart wollte etwas erwidern, doch ein einziger Blick von Sullivan ließ ihn mit offenem Mund verstummen.
    »Soll ich Ihnen was sagen, Cowart? Ich bin in der zehnten Klasse von der Schule gegangen, aber ich hab nie aufgehört zu lernen. Ich wette, ich bin belesener und gebildeter als Sie. Was lesen Sie? Time und Newsweek. Vielleicht noch den New York Times Book Review? Wahrscheinlich Sports Illustrated auf dem Klo. Aber ich hab Freud und Jung gelesen und ziehe den Schüler dem Meister vor. Ich hab Shakespeare gelesen, elisabethanische Lyrik und amerikanische Geschichte, mit Schwerpunkt auf dem Bürgerkrieg. Ich mag auch Romane, besonders liebe ich Autoren wie James Joyce, Faulkner, Conrad oder Orwell, die schreiben voller Ironie. Dann lese ich auch gerne die Klassiker. Ein bisschen Dickens und Proust. Thukydides hat mir gefallen, wie er über die Arroganz der Athener schreibt, und Sophokles, weil jeder von uns sich bei ihm wiedererkennen kann. Das Gefängnis ist ein großartiger Ort zum Lesen, Cowart. Da schreibt Ihnen auch keiner vor, was Sie lesen sollen und was nicht. Und Sie haben alle Zeit der Welt. Schätze, keine Hochschule reicht als Lehranstalt an den Knast ran. Nur dass ich diesmal natürlich nicht mehr allzu viel Zeit habe, und deshalb hab ich mich ganz auf das Buch der Bücher verlegt.«
    »Und hat Ihnen das gar nichts über Wahrheit und über Mitgefühl vermittelt?«
    Blair Sullivan stieß ein derart schrilles Lachen aus, dass es quer durch den Käfig schallte. »Irgendwie mag ich Sie, Cowart. Sie sind ein Witzbold. Wissen Sie, worum es in der Bibel von vorn bis hinten geht? Um Betrug und Töten und Lügen und Mord und Raub und Götzendienst – alles absolut meine Wellenlänge.«
    Der Häftling starrte Cowart an. Ein boshaftes Lächeln spielte um seinen Mund. »Na schön, Cowart, nun zum unterhaltsamen Teil unseres kleinen Gedankenaustauschs.«
    »Unterhaltsam?«
    »Klar.« Er kicherte und keuchte. »Ungefähr sieben Meilen von der Stelle entfernt, wo Joanie Shriver ermordet wurde, ist eine Kreuzung zwischen der Landstraße fünfzig und der Bundesstraße hundertzwanzig. Hundert Meter vor dieser Kreuzung ist ein kleines Regenrohr, das unterhalb der Straße verläuft, dicht neben einer Gruppe Weiden, die da runterhängen und im Sommer etwas Schatten auf die Straße werfen. Wenn Sie an der Stelle ranfahren, von rechts zu diesem Rohr runtergehen und mit der Hand unter das Rohr fassen, dort, wo es aus der Erde tritt, wenn Sie mit der Hand direkt in dem Dreck wühlen, der da durchfließt, könnten Sie möglicherweise etwas finden. Etwas Wichtiges finden. Etwas richtig Interessantes finden.«
    »Was?«
    »Ich bitte Sie, Cowart. Sie erwarten doch nicht von mir,

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