Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
lose von Armen und Schultern, als hätte er ihn bewusst zwei Nummern zu groß gekauft, um sich kleiner zu machen. Obwohl es im Verlauf des Vormittags immer wärmer wurde, trug er die rote Krawatte zu seinem hellblauen Button-down-Hemd eng um den Hals geknotet. Als Cowart wieder verstohlene Blicke zur Seite warf, sah er, dass der Detective eine Brille mit Goldrand polierte und, nachdem er sie aufgesetzt hatte, wie ein Intellektueller aussah, was zu seinen Muskeln in Widerspruch stand. Schließlich zog Brown, ähnlich wie ein Reporter, einen kleinen Stift und einen Block heraus und machte sich Notizen. Als er mit dem Schreiben fertig war, steckte der Detective Stift, Papier und Brille wieder ein und starrte erneut aus dem Fenster. Er deutete vage auf die Landschaft. »Vor zehn Jahren sah es hier noch ganz anders aus, und noch mal zwanzig Jahre zurück wieder ganz anders.«
»Inwiefern?«
»Sehen Sie die Exxon-Tankstelle? Mit den Selbstbedienungstanksäulen und dem Mini-Markt mit der Lebensmittelabteilung?«
Im nächsten Moment waren sie daran vorbei.
»Ja, was ist damit?«
»Vor fünf Jahren war das eine kleine Dixie Gas, im Besitz eines Mannes, der in den Fünfzigern wahrscheinlich dem Ku-Klux-Klan angehört hatte. Ein paar alte Pumpen, eine Nationalflagge im Fenster und ein Schild mit der Aufschrift KÖDER UND KUGELN. So schlicht formuliert, wie der Kerl gestrickt war. Aber erstklassige Lage. Hat den Laden verkauft, einen Batzen Geld gemacht und sich wahrscheinlich zur Ruhe gesetzt in einem dieser kleinen Häuser, die hier überall wie Pilze aus dem Boden schießen. Die Viertel haben diese poetischen Namen: Fuchslauf oder Barschbach oder Elysische Gefilde.« Der Detective lachte leise in sich hinein. »Das gefällt mir. Wenn ich in den Ruhestand gehe, tu ich’s nicht unter Elysischen Gefilden. Oder vielleicht besser Walhalla? Angemessener für einen Cop, finden Sie nicht? Die Krieger der modernen Gesellschaft. Allerdings müsste ich dann mit der Waffe in der Hand sterben, oder?«
»Ja.« Cowart war angespannt. Der Detective füllte den kleinen Wagen aus, als sei da mehr an dem Mann als das, was Cowart sehen konnte. »Hat sich also viel verändert?«
»Schauen Sie sich um. Die Straße ist gut, das heißt, es kommen genügend Steuern herein. Keine Tante-Emma-Läden mehr. Stattdessen 7-Eleven und Winn-Dixie und Southland Service Center. Sie müssen in die Markenwerkstatt, nur um einen Ölwechsel machen zu lassen. Einen Zahnarzt finden Sie nur über den Berufsverband. Zum Einkaufen fahren Sie in die Mall. Der Quarterback der Football-Mannschaft der Highschool ist der Sohn eines Lehrers und schwarz, der beste Passfänger weit und breit ist der Sohn eines Monteurs und weiß. Wie finden Sie das?«
»Da, wo Fergusons Großmutter wohnt, scheint sich nicht viel verändert zu haben.«
»Nein, das stimmt. Alter Süden. Bitterarm. Im Sommer heiß, im Winter kalt. Holzofen und Außentoilette und barfuß durch den Dreck. Alles hat sich noch nicht geändert, und so eine Gegend zeigt einem, wie viel sich noch ändern muss.«
»Tankstellen sind eine Sache«, sagte Cowart, »aber wie sieht es mit der Einstellung aus?«
Brown lachte. »Da dauert es mit dem Wandel ein bisschen länger, nicht wahr? Alle klatschen Beifall, wenn der Junge des Lehrers den Ball wirft und der Sohn des Monteurs ihn fängt und einen Touchdown einfährt. Wenn allerdings einer von den beiden mit der Schwester des anderen was anfangen wollte, wäre es mit dem Applaus verdammt schnell vorbei. Aber bei Ihrem Beruf ist Ihnen das alles natürlich nicht neu, oder?«
Der Reporter nickte, obwohl er nicht sagen konnte, ob das als Spöttelei, als Beleidigung oder als Kompliment gemeint war. Sie fuhren an den Rohbauten einer Reihenhaussiedlung vorbei, die inmitten von Wiesen und Feldern buchstäblich aus dem Boden gestampft wurde. Ein gelber Bulldozer riss in das grüne Gelände eine Wunde aus roter Erde. Für einen Moment war der Wagen vom Lärm des Mahlens und Grabens erfüllt. Ein Arbeitstrupp in Schutzhelmen und schweißgetränkten Hemden stapelte Holz und Porenbeton. Im Auto herrschte zwischen den beiden Männern Schweigen, bis sie die Baustelle hinter sich hatten. Dann fragte Cowart: »Und wo haben Sie Wilcox heute gelassen?«
»Bruce? Wir hatten letzte Nacht ein paar Verkehrstote. Ich hab ihn zur Gerichtsmedizin geschickt, damit er bei den Autopsien dabei ist. Eine heilsame Lehre hinsichtlich Trunkenheit am Steuer. Zeigt einem, was passieren kann, wenn
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