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Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Tätowierungen auf Blair Sullivans bleicher Haut. In mühsamer Kleinarbeit hatte ihm ein Künstler zwei prächtig verschnörkelte Drachen ins Fleisch gestochen und geritzt, die ihm bei jeder noch so kleinen Muskelanspannung die Arme herunterzugleiten schienen. Sie waren zartblau und rot, mit grünen Schuppen. Sie hatten die Krallen ausgefahren und das Maul weit aufgerissen, so dass jedes Mal, wenn Sullivan die Arme ausstreckte, um nach etwas oder jemandem zu greifen, auch das Drachenpaar zuzuschnappen drohte. In diesem Moment war er in Versuchung, Sullivans Namen laut auszusprechen, um zu sehen, wie der Detective reagierte, doch der Hinweis war zu wichtig, um ihn auf diese Weise zu vergeuden.
    Unterdessen beugte sich der Lieutenant noch ein wenig weiter vor und fragte leise: »Haben Sie schon mal zwei alte, bösartige Hunde beobachtet, Mr. Cowart? Wie die sich gegenseitig beschnüffeln, umkreisen und abschätzen, wer von ihnen stärker ist? Hab mich immer gefragt, was genau diese Köter dazu bringt, aufeinander loszugehen. Manchmal schnuppern sie einfach nur aneinander und trotten weiter, wedeln vielleicht sogar mit dem Schwanz. Aber dann kann es auch sein, dass plötzlich einer von beiden knurrt und die Zähne fletscht und sie aufeinander losgehen, als hinge ihr Leben daran, dem anderen die Gurgel durchzubeißen. Sagen Sie’s mir, Mr. Cowart: Wieso ziehen diese Hunde das eine Mal ab und beißen das nächste Mal zu?«
    »Keine Ahnung.«
    »Vermutlich riechen sie was?«
    »Kann schon sein.«
    Tanny Brown lehnte sich wieder an den Wagen, hob das Gesicht in die Sonne und sah den vorbeiziehenden Wolken hinterher. Er richtete seine Worte an die endlose Weite des Himmels. »Wissen Sie, als kleiner Junge hab ich gedacht, alle Weißen wären irgendwie was Besonderes. Der Gedanke lag nahe. Ich brauchte nur die Augen aufzumachen und zu sehen, dass immer sie die guten Jobs und die großen Autos und die schönen Häuser hatten. Ich hab die Weißen lange gehasst. Als ich älter wurde, bin ich mit den weißen Kindern zur Highschool gegangen, dann zur Army, da habe ich Seite an Seite mit den Weißen gekämpft. Bin zurückgekommen, hab zusammen mit Weißen meinen College-Abschluss gemacht. Wurde Polizist, einer der ersten schwarzen Cops überhaupt. Inzwischen haben wir zwanzig Prozent Schwarze, mit steigender Tendenz. Wir bringen Weiße wie Schwarze hinter Gitter. Bei jedem Schritt auf meinem Weg hab ich ein bisschen dazugelernt. Und wissen Sie was? Das Böse ist farbenblind. Für mich zählt längst nicht mehr, was für eine Hautfarbe Sie haben. Wenn Sie was zu verbergen haben, dann haben Sie was zu verbergen, ob schwarz oder weiß oder meinetwegen grün, gelb, rot spielt dabei keine Rolle.«
    Er senkte den Kopf und sah Cowart an. »Das ist nun wirklich einfach, finden Sie nicht?«
    »Zu einfach.«
    »Liegt wohl daran, dass ich innerlich immer ein Landei geblieben bin«, erwiderte Tanny Brown. »Ich bin ein alter Hund. Und ich hab eine gute Nase.«
    Die beiden Männer standen am Wagen und starrten einander stumm an. Brown seufzte leise und strich sich mit der großen Hand über das kurz geschorene Haar. »Eigentlich ist das hier zum Lachen.«
    »Ich versteh nicht ganz.«
    »Werden Sie schon noch. Wo wollen Sie jetzt hin?«
    »Auf Schatzsuche, könnte man sagen.«
    Der Detective lächelte. »Nehmen Sie mich mit? Klingt wie ein Spiel, und ein bisschen kindlicher Zeitvertreib täte mir sicher ganz gut. Bei der Polizei gibt’s wenig Grund zum Lachen, allenfalls Galgenhumor. Oder muss ich Ihnen heimlich folgen?«
    Cowart begriff, dass er, sosehr er auch wollte, keine Chance hatte, den Polizisten abzuhängen. Also entschied er sich für den einfachsten Weg. »Steigen Sie ein«, sagte er und deutete auf den Beifahrersitz.

    Ein paar Meilen fuhren die beiden Männer, ohne etwas zu sagen. Cowart starrte durch die Windschutzscheibe auf den Asphalt, der Detective durchs Beifahrerfenster auf die vorbeifliegende Landschaft. Das Schweigen war unangenehm; Cowart konnte nicht stillsitzen und hielt das Lenkrad steif mit durchgedrückten Armen. Er war es gewohnt, sich schnell ein Bild von Menschen zu machen, doch Tanny Brown blieb ihm bislang ein Rätsel. Ein verstohlener Blick zu seinem Begleiter verriet ihm, dass auch dieser seinen eigenen Gedanken nachhing. Wie ein Auktionator vor dem ersten Gebot versuchte Cowart, den Mann zu taxieren. Trotz seiner Größe und seines imposanten, muskulösen Körperbaus hing Brown der unscheinbare beige Anzug

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