Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
von Ihren Scheißfragen.«
»Natürlich träume ich. Wer tut das nicht?«
»Wovon?«
»Leuten wie Ihnen«, platzte Cowart wütend heraus.
Was Sullivan wieder zum Brüllen komisch fand. »Der Punkt geht an Sie.« Er saß lässig auf seinem Stuhl und beobachtete sein Gegenüber. »Alpträume, ja? Das sind wir doch, ein einziger Alptraum.«
»Da kann ich Ihnen nicht widersprechen«, antwortete Cowart.
»Genau das wollte ich auch den Typen vom FBI erklären, aber die wollten nichts davon hören. Wir sind nichts weiter als Alpträume und Rauch. Wir reden, lassen Taten folgen und bringen ein bisschen Angst und Finsternis in die Welt. Wie heißt es so schön im Johannes-Evangelium? ›Ihr habt den Teufel zum Vater, und nach eures Vaters Gelüste wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit.‹ Sie verstehen, was ich meine? Johannes 8,44. Auch wenn es ein paar Seelenklempner-Ausdrücke dafür geben mag, ändert das medizinische Kauderwelsch auch nichts an der Sache, oder?«
»Vermutlich nicht.«
»Wissen Sie was? Sie müssen ein freier Mann sein, um ein guter Mörder zu sein. Frei, Cowart. Sie können sich nicht an all den blöden Scheiß hängen, in dem die meisten feststecken. Sie müssen ein freier Mann sein.«
Cowart antwortete nicht.
»Und ich sag Ihnen noch was: Es ist nicht schwer, jemanden umzubringen. Genau das hab ich ihnen gesagt. Und hinterher denkt man wirklich nicht mehr viel darüber nach. Ich meine, man hat dann sowieso den Kopf voll, man muss die Leichen beseitigen, die Waffen, das Blut abwaschen und all solche Sachen. Ich meine, nach einem Mord haben Sie alle Hände voll zu tun. Sie konzentrieren sich auf die nächsten Schritte, und dann nichts wie weg.«
»Wenn Töten leicht war, was war dann schwer?«
Sullivan lächelte. »Gute Frage. Die haben sie mir nie gestellt.« Er blickte einen Moment lang überlegend zur Decke. »Schätze, am meisten hat mir zu schaffen gemacht, hierher in den Todestrakt zu kommen und zu wissen, dass es mir nicht mehr vergönnt ist, diejenigen umzubringen, die ich mehr als jeden anderen tot sehen wollte.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ist das nicht immer das Schwerste im Leben, Cowart? Vertane Chancen? Die bedauern wir am meisten, hab ich recht? Die bringen uns nachts um den Schlaf.«
»Ich verstehe immer noch nicht, was Sie meinen.«
Sullivan wechselte die Stellung auf seinem Sitz und lehnte sich noch weiter zu Sullivan vor, um in konspirativem Ton zu flüstern: »Aber genau das müssen Sie begreifen. Wenn nicht jetzt, dann später. Merken Sie sich meine Worte, denn das wird mal wichtig. Früher oder später, wenn Sie am wenigsten damit rechnen, fällt es Ihnen wieder ein: Wer waren noch die Menschen, die Blair Sullivan am meisten hasst? Wieso kann er die Vorstellung kaum ertragen, dass sie immer noch am Leben sind bis ans Ende ihrer Tage? Es ist wirklich wichtig, Cowart, dass Sie sich das merken.«
»Sie wollen es mir also nicht erzählen?«
»Nein.«
»Gütiger Gott …«
»Du sollst den Namen des Herrn nicht unnütz führen! In solchen Dingen bin ich empfindlich.«
»Ich meinte nur …«
Wieder reckte Sullivan Cowart das Gesicht entgegen. »Meinen Sie, diese Ketten könnten mich wirklich davon abhalten, Ihnen in die Visage zu springen, wenn ich es wirklich wollte? Meinen Sie, diese mickrigen Gitter hier könnten mich an irgendetwas hindern? Meinen Sie, ich könnte nicht von einer Sekunde zur anderen aufstehen, mich losreißen, Sie in Stücke reißen und Ihr Blut trinken, als wär’s das Wasser des Lebens?«
Cowart zuckte heftig zurück.
»Ich kann, wenn ich will. Also verärgern Sie mich nicht, Cowart.«
Er starrte über den Tisch.
»Ich bin nicht verrückt, und ich glaube an Jesus, auch wenn er meinen Hintern vermutlich auf dem schnellsten Wege in die Hölle befördert. Aber das macht nichts, wo mein Leben schon die Hölle gewesen ist, wieso sollte mein Tod dann anders sein?«
Blair Sullivan verstummte. Schließlich lehnte er sich zurück und verfiel wieder in seinen trägen, beinahe beleidigend lässigen Ton. »Sehen Sie, Cowart, was mich von Ihnen trennt, sind nicht diese Gitter und Ketten und all der Scheiß, sondern eine einzige Kleinigkeit. Ich habe keine Angst davor zu sterben. Tod, wo ist dein Stachel? Ich hab keine Angst davor. Die mögen mich auf den Stuhl setzen, mir eine tödliche Spritze verpassen, mich vor ein Erschießungskommando stellen oder mich am nächsten Baum aufknüpfen. Meinetwegen könnten
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