Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
Schließlich sagte er: »Keine weiteren Fragen.«
Mr. Sims erhob sich vom Zeugenstuhl und verließ zügig den Gerichtssaal. Es dauerte ein, zwei Minuten, bis die Shrivers wiederkamen. Cowart sah, dass ihre Augen vom Weinen gerötet waren.
»Bringen Sie jetzt Ihre Ausführungen vor«, forderte Richter Trench die Vertreter der Anklage und der Verteidigung auf.
Zu Cowarts Verwunderung hielten sich die beiden Kontrahenten in ihren Ausführungen wohltuend kurz. Und an das Vorhersehbare. Er versuchte, sich Notizen zu machen, ertappte sich jedoch dabei, immer wieder auf den Mann und die Frau zu starren, die in der ersten Reihe mit den Tränen kämpften. Er sah, dass sie sich nicht zu Ferguson umdrehten. Vielmehr fixierten sie den Richter, während sie sich mit reglosen, steifen Schultern ein wenig nach vorn neigten, als kämpften sie gegen einen mächtigen Sturm an.
Als die Anwälte geendet hatten, sagte der Richter in scharfem Ton: »Für beide Rechtsauffassungen erwarte ich entsprechende Fallbeispiele. Ich werde meine Entscheidung treffen, nachdem ich die Rechtslage geprüft habe. Heute in einer Woche ist der nächste Termin.«
Im selben Moment stand er auf und begab sich durch eine Tür in seinem Rücken zum Richterzimmer.
Als das Publikum sich erhob, herrschte zunächst wirres Gedränge. Cowart sah noch, wie sich Ferguson per Handschlag von seinem Anwalt verabschiedete und den Wachmännern zu einer Tür an der Rückseite des Gerichtssaals folgte, wo sich eine Zelle befand. Als Cowart wieder nach vorn blickte, registrierte er, wie die Shrivers, umgeben von einer dichten Traube von Reportern, Mühe hatten, die Meute abzuschütteln und über den schmalen Mittelgang aus dem Saal zu kommen. Im selben Moment sah er, wie Black den Staatsanwalt mit Handzeichen auf die Schwierigkeiten des Elternpaars aufmerksam machte. Mrs. Shriver hielt die Hand hoch, als könnte sie so die Fragen abwehren, die auf sie niederprasselten. George Shriver legte einen Arm um seine Frau und bekam ein rotes Gesicht, als er sich durch die Menschenmenge kämpfte. Im nächsten Moment war Boylan an ihrer Seite und führte sie an der Vorderseite zum Richterzimmer hinaus. Der Fotograf an Cowarts Seite bemerkte: »Ich hab einen Schnappschuss im Kasten, keine Bange.« Für Sekunden wechselte der Verteidiger einen Blick mit ihm und machte unauffällig das Siegeszeichen. Doch unerklärlicherweise empfand Cowart zuerst eine seltsame Leere und dann eine Nervosität, die zu der Aufbruchsstimmung im Raum im Widerspruch stand.
Rings um ihn herrschte Stimmengewirr: Black gab vor einer Minikamera einem Fernsehteam ein Interview. Er sagte: »Natürlich sind wir zuversichtlich, unseren Standpunkt hinlänglich klargemacht zu haben. Es ist einfach nicht zu übersehen, dass es bei diesem Verfahren allzu viele offene Fragen gibt. Mir ist unbegreiflich, wieso die Staatsanwaltschaft das nicht genauso sieht …«
Im selben Moment stand Boylan, nur wenige Schritte entfernt, vor einer anderen Kamera und erläuterte mit derselben Inbrunst den entgegengesetzten Standpunkt: »Wir sind davon überzeugt, dass der richtige Mann für ein entsetzliches Verbrechen im Todestrakt sitzt. Wir sehen keinen Grund, von dieser Auffassung abzurücken. Selbst wenn der Richter einer Revision zustimmen sollte, sind wir zuversichtlich, dass die Beweislage gegen Mr. Ferguson für eine erneute Verurteilung mehr als ausreicht.«
Ein Reporter rief dazwischen: »Auch ohne ein Geständnis?«
»Selbstverständlich«, kam prompt die Antwort. Jemand lachte, verstummte jedoch, als Boylan mit verärgerter Miene herumfuhr.
»Wieso ist eigentlich nicht Ihr Vorgesetzter als Anklagevertreter gekommen? Wieso wurden Sie geschickt? Sie gehörten nicht mal dem ursprünglichen Team der Anklagevertretung an. Wieso Sie?«
»Das hat sich einfach so ergeben«, erklärte Boylan, ohne es zu erklären.
Unterdessen beantwortete Black drei Meter entfernt dieselbe Frage: »Weil gewählte Amtsträger nicht gerne in Gerichtssäle kommen und sich die Köpfe einschlagen lassen. Die haben regelrecht gerochen, dass sie hier auf verlorenem Posten stehen, und das dürft ihr gerne wörtlich zitieren, Jungs.«
Plötzlich richtete sich eine Kamera mit ihrem unbarmherzigen Scheinwerferlicht auf Cowart, und jemand rief ihm eine Frage zu: »Cowart? Das war Ihre Geschichte. Wie ist die Anhörung Ihrer Meinung nach gelaufen? Was halten Sie von diesem Brief?«
Er versuchte, sich irgendeine clevere, schlagfertige Bemerkung einfallen
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