Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
seiner Tochter nach Disney World, wo sie sich im Contemporary Hotel in einem der obersten Stockwerke mit Blick über den Vergnügungspark einquartierten. Becky war mit kindlichem Vergnügen zur Expertin für das reichhaltige Angebot geworden und entwarf für jeden Tag einen detaillierten Plan, welche Achterbahnfahrten und andere Attraktionen sie in welcher Reihenfolge in Angriff nehmen sollten. Nur allzu gerne ließ Cowart ihr freie Hand. Wenn sie vier oder fünf Mal hintereinander auf der »Space Mountain«- oder der »Mr. Toad’s Wild Ride«-Achterbahn fahren wollte, wieso nicht? Wenn ihr nach einer schwindelerregenden Mischung aus Hotdogs, Fritten und Zuckerwatte war, verkniff er sich jede Bemerkung über den Nährwert.
An den Nachmittagen war es zu warm, um für die Fahrten anzustehen, und so verbrachten sie stattdessen Stunden im Hotelpool, alberten herum und tauchten sich gegenseitig unter. Unzählige Male warf er sie ins Wasser, ließ sie auf seiner Schulter reiten oder zwischen seinen Beinen schwimmen. Sobald mit Sonnenuntergang ein wenig Kühle eintrat, zogen sie sich an und kehrten ins Wunderland zurück, um sich Feuerwerks- und Lichtschauspektakel anzusehen.
Jeden Abend fuhr er mit seiner erschöpft schlafenden Tochter in der Einschienenbahn zum Hotel, trug sie in ihr Zimmer, legte sie behutsam in ihr Bett und lauschte, nachdem er sie zugedeckt hatte, auf ihren regelmäßigen, unbeschwerten Atem, der für eine Weile alle Gedanken aus seinem Kopf verbannte und ihm einen gewissen Frieden brachte.
Während ihres gesamten Aufenthalts hatte er nur einen einzigen lebhaften Alptraum, in dem Ferguson und Sullivan ihn zu einer Achterbahnfahrt zwangen und ihm seine Tochter aus den Armen rissen.
Als er keuchend erwachte, hörte er Beckys besorgte Frage: »Daddy?«
»Alles in Ordnung, Schatz, alles in bester Ordnung.«
Sie seufzte und drehte sich auf die andere Seite, bevor sie wieder in Tiefschlaf verfiel.
Er jedoch lag in seinen nassgeschwitzten Laken wach.
Dank Beckys unermüdlichem Tatendrang verging die Woche wie im Flug. Als es so weit war, sie heimzufahren, ließ er sich alle Zeit der Welt. Sie legten eine Pause für die Wasserrutsche in der Water World ein und ließen sich in einer Highway-Raststätte Hamburger schmecken. Es folgte eine weitere Pause auf ein Eis und schließlich eine vierte Unterbrechung an einem Spielzeugladen, wo er ihr noch ein Geschenk kaufte. Als sie schließlich das teure Vorstadtviertel von Tampa erreichten, in dem seine Ex-Frau und ihr neuer Ehemann wohnten, rollte er nur noch im Schneckentempo durch die Straßen, während sein Widerstreben, sich von ihr zu trennen, im fröhlichen Mitteilungsdrang seiner Tochter unterging, die ihm unterwegs sämtliche Häuser ihrer Freundinnen zeigte.
Zu Beckys Haus führte eine lange, halbkreisförmige Einfahrt; ein älterer Schwarzer schob den Mäher über die weite Fläche des saftig grünen Rasens. Sein ramponierter kleiner Lkw, ursprünglich rot, jetzt eher rostbraun, parkte unauffällig am Rand. An der Seite stand in weißen Lettern NED’S RUNDUM-RASENSERVICE. Der alte Mann blieb nur kurz stehen, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen und Becky zuzuwinken, die seinen Gruß übermütig erwiderte. Cowart sah, wie sich der Mann wieder vorbeugte und der Aufgabe widmete, das Gras auf eine einheitliche Höhe zu trimmen. Sein Hemdkragen hatte eine dunklere Farbe angenommen als seine Haut.
Cowart blickte zur Haustür. Sie war zweiflügelig und aus Holz. Bei dem Haus selbst handelte es sich um einen weitläufigen Bungalow, der an einem leichten Hang zu liegen schien, denn auf der Rückseite ragte der schwarze Gitterzaun eines eingeschlossenen Swimmingpools so eben über das Dach. Den Vorgarten zierte eine Reihe von Pflanzen, die mit ihrem gepflegten Schnitt an ein sorgfältiges Make-up in einem Gesicht erinnerten. Becky sprang aus dem Wagen und rannte zur Tür hinein.
Er blieb stehen und wartete, bis Sandy erschien.
Die Schwangerschaft war fortgeschritten, und sie bewegte sich in der Hitze mühsam und bedächtig. Sie hatte den Arm um ihre Tochter gelegt. »Und? War es schön?«
»Wir haben nichts ausgelassen.«
»Dachte ich mir. Bist du erschöpft?«
»Ein bisschen.«
»Und wie läuft’s sonst?«
»Nichts zu klagen.«
»Du weißt, dass ich mir immer noch Sorgen um dich mache.«
»Danke, das ist nett, aber ich komm schon klar. Alles ist in Ordnung.«
»Ich würde gerne mit dir reden. Möchtest du nicht kurz reinkommen? Auf
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