Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
einmal zum Haus um.
Noch am selben Nachmittag rief er Black an.
»Wo steckt Ferguson?«, fragte er geradeheraus.
»In New Jersey. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen seine Adresse und Telefonnummer geben.«
»Aber wie kann er den Bundesstaat verlassen? Was ist mit seinem Prozess, der Kaution?«
»Der Richter hat es ihm erlaubt. Hat keine großen Überredungskünste gekostet. Ich hab ihm erklärt, dass es das Beste für ihn ist, wieder ein normales Leben zu führen, und er wollte seinen College-Abschluss machen. Was ist daran so verwunderlich? Die Staatsanwaltschaft muss uns gegebenenfalls neues Beweismaterial vorlegen, über das sie verfügt, und bis jetzt haben sie nichts geschickt. Ich weiß ja nicht, was die vorhaben, aber mit großen Überraschungen rechne ich nicht.«
»Sie meinen, der Fall verläuft einfach im Sande?«
»Schon möglich. Fragen Sie die Detectives.«
»Habe ich auch vor.«
»Sie müssen sich klarmachen, Mr. Cowart, wie diese Staatsanwälte es hassen, bei einem Prozess eins auf die Rübe zu bekommen. Die gewählten Amtsträger stehen nun mal nicht darauf, sich in aller Öffentlichkeit zu blamieren. Da lassen sie lieber ein bisschen Zeit ins Land gehen, Gras über die ganze Sache wachsen. Und wenn es so weit ist, wird die Klage bei einem netten kleinen Plausch im Richterzimmer vom Programm gestrichen. Schieben die ganze Schuld ihm in die Schuhe, weil er dieses Geständnis zugelassen hat. Der dreht den Spieß natürlich um und sagt, die Anklagevertreter seien schuld. Vor allem aber bleibt es an diesen beiden Polizisten hängen. Schluss, aus. Ist für Sie doch bestimmt nicht das erste Mal, dass in unserer Strafjustiz etwas sang- und klanglos untergeht?«
»Vom Todestrakt runter auf null?«
»Genau. Kommt vor. Nicht alle Tage, aber immer mal wieder. Gibt nichts an diesem Fall, das ich nicht so oder ähnlich schon mal gehört hätte.«
»Nach diesen drei Jahren macht man einfach so weiter?«
»Ganz genau. Als wäre nichts gewesen, ein stinknormales Leben. Mit einer Ausnahme natürlich.«
»Als da wäre?«
»Dieses kleine Mädchen ist tot.«
Er rief Tanny Brown an. »Ferguson ist nach New Jersey zurückgekehrt. Wussten Sie das?«
»War nicht gerade ein Geheimnis. Die Lokalzeitung brachte einen Artikel über seinen Abgang. Es hieß, er wollte mit seiner Ausbildung weiterkommen. Hat dem Blatt erklärt, so wie die Leute ihn hier ansähen, hätte er in Pachoula keine Aussicht auf einen Job. Kann ich nicht ganz nachvollziehen. Ich weiß nicht mal, ob er es auch nur versucht hat. Jedenfalls ist er weg. Ich glaube eher, er wollte verschwinden, bevor ihm jemand was antut.«
»Wer zum Beispiel?«
»Kann ich nicht sagen. Der eine oder andere war ziemlich erschüttert, als er auf freien Fuß kam. Manche fanden es in Ordnung. Kleinstadt eben, Sie wissen schon. Die Leute sind unterschiedlicher Meinung. Die meisten wussten einfach nicht, was sie davon halten sollten.«
»Wer war erschüttert?«
Tanny Brown zögerte einen Moment mit seiner Antwort. »Ich zum Beispiel. Das genügt.«
»Und wie geht’s jetzt weiter?«
»Sagen Sie’s mir.«
Cowart musste passen.
Am Ende schrieb er den beabsichtigten Artikel doch nicht, sondern kehrte in die Redaktion zurück, wo er sich in die Arbeit zu den bevorstehenden Gemeindewahlen stürzte. Er verwandte Stunden darauf, die Kandidaten zu befragen, Positionspapiere zu lesen und mit den Kollegen der Redaktion zu diskutieren, welche Stellung die Zeitung beziehen sollte. Es herrschte eine anregende Stimmung im Team. Mit ihren abwegigen Themen wie der Forderung, Englisch zur Amtssprache im Bundesstaat zu erklären, der unergründlichen Frage der Demokratie in Kuba oder gar der Diskussion um Schusswaffenkontrolle besaß die Lokalpolitik in Südflorida einen hohen Unterhaltungswert. Nach den Wahlen stürzte Cowart sich in eine weitere Reportage, diesmal über die Wasserversorgung in den Keys. Er sah sich genötigt, Haushaltsentwürfe und ökologische Prognosen zu studieren, so dass sich auf seinem Tisch immer mehr Tabellen und Grafiken stapelten. Er nahm, so viel war ihm vage bewusst, Zuflucht zu Zahlen.
In der ersten Dezemberwoche ließ die Staatsanwaltschaft die Anklage gegen Robert Earl Ferguson wegen vorsätzlichen Mordes fallen. Einer kleinen Reporterschar erklärte man achselzuckend, ohne das Geständnis gebe es wenig belastbare Beweise. Anklage wie Verteidigung machten ein großes Tamtam darum, wie wichtig das Rechtssystem sei, und betonten, kein einziger
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