Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
ich bin um einiges klüger geworden. Diese Zeit hat alles grundlegend verändert. Lektionen fürs Leben.«
»Haben Sie vor, in Newark zu bleiben?«
»Wohl eher nicht. Hier ist es kälter, als ich es in Erinnerung habe. Ich denke, ich gehe wieder in den Süden.«
»Nach Pachoula?«
Ferguson antwortete nicht sofort. »Also, das wage ich zu bezweifeln. Nach meiner Freilassung haben die mir nicht unbedingt das Gefühl gegeben, dass ich da willkommen bin. Die Leute haben mich angestarrt. Hinter meinem Rücken über mich getuschelt, mit dem Finger auf mich gezeigt. Ich konnte nicht mal in den Laden um die Ecke, ohne dass ein Streifenwagen draußen stand, wenn ich wieder rauskam. Sie haben mich nicht aus den Augen gelassen, als ob sie vermuteten, dass ich jeden Moment was anstellen würde. Ich bin sonntags mit meiner Granny in den Gottesdienst gegangen, und sobald wir zur Tür reinkamen, fuhren alle Köpfe zu uns rum. Hab mich nach einem Job umgesehen, aber egal, wo ich hinkam, hatten sie die Stelle angeblich ein paar Minuten vorher vergeben, es spielte keine Rolle, ob der Chef schwarz oder weiß war. Sie haben mich alle nur angesehen, als wäre ich das personifizierte Böse, das mitten unter ihnen lebt, ohne dass sie was dagegen machen können. Das war nicht in Ordnung, Mr. Cowart, ganz und gar nicht in Ordnung, ich konnte trotzdem nichts dagegen machen. Aber Florida ist groß. Sie werden’s nicht glauben: Vor ein paar Tagen hat mich eine Kirche in Ocala eingeladen, bei ihnen eine kleine Rede über meine Erfahrungen zu halten. Und die waren nicht die Ersten. Nicht überall werde ich wie ein tollwütiger Hund behandelt. Vielleicht überhaupt nur in Pachoula. Und solange Tanny Brown dort das Sagen hat, wird sich daran auch nichts ändern.«
»Halten Sie mich auf dem Laufenden?«
»Selbstverständlich«, versprach Ferguson.
Ende Januar, fast ein Jahr, nachdem er den Brief von Robert Earl Ferguson bekommen hatte, wurde Cowart für seine Reportage vom Presseverband Florida ausgezeichnet. Kurz darauf folgten Auszeichnungen von der Journalistenschule Penney-Missouri und ein Ernie-Pyle-Preis der Scripps-Howard-Stiftung.
Genau zu dieser Zeit bestätigte der Oberste Gerichtshof den Schuldspruch und das Strafmaß gegen Blair Sullivan, und Cowart bekam einen weiteren Anruf als R-Gespräch.
»Cowart? Sind Sie das?«
»Ja, am Apparat, Mr. Sullivan.«
»Haben Sie von dieser Gerichtsentscheidung gehört?«
»Ja. Was haben Sie vor? Sie brauchten nur einen Anwalt einzuschalten. Was halten Sie davon, Black anzurufen?«
»Mr. Cowart, halten Sie mich für einen Mann ohne Rückgrat?«, fragte er lachend. »Ich bin ein Überzeugungstäter. Das sollte ein Witz sein. Wie kommen Sie nur auf den Gedanken, ich könnte es mir plötzlich anders überlegen?«
»Keine Ahnung. Vielleicht, weil für mich das Leben ein kostbares Gut ist.«
»Sie hatten nicht mein Leben, vergessen Sie das nicht.«
»Da haben Sie recht.«
»Und Sie haben nicht meine Zukunft. Jetzt fragen Sie sich natürlich, was für eine Zukunft. Aber Sie werden staunen.«
»Bin ganz Ohr.«
»Soll ich Ihnen was sagen, Mr. Cowart? So komisch das klingt, aber mir geht’s gerade richtig gut.«
»Freut mich zu hören.«
»Und soll ich Ihnen noch was sagen, Mr. Cowart? Wir sprechen uns wieder. Wenn die Uhr tickt.«
»Haben Sie schon irgendwas über den Zeitpunkt erfahren?«
»Nein. Ich frag mich, wieso der Gouverneur so lange braucht.«
»Wollen Sie wirklich sterben, Mr. Sullivan?«
»Ich habe Pläne, Mr. Cowart. Große Pläne. Der Tod ist da nur eine Begleiterscheinung. Ich melde mich wieder.«
Er legte auf, und Cowart unterdrückte einen Schauder. Es war ihm, als hätte er mit einer Leiche gesprochen.
Am ersten April wurde Matthew Cowart für seine herausragende Lokalreportage der Pulitzer-Preis verliehen.
In den guten alten Zeiten, als Fernschreiber eine endlose Flut von Worten in alle Welt verbreiteten, fand alljährlich an dem Tag, an dem die Preisträger bekanntgegeben wurden, ein Wettbewerb statt: Die Associated Press und die United Press International konkurrierten gewöhnlich darum, welche der beiden Agenturen die Bekanntgabe am schnellsten hereinbekam und verbreitete. Die alten Maschinen waren mit Klingeln ausgestattet, die jedes Mal schrillten, wenn eine wichtige Meldung hereinkam, und so wurde die Verkündigung der Preisträgernamen von quasireligiösem Geläut begleitet, gefolgt von Jubelrufen oder enttäuschten Seufzern, sobald der Fernschreiber die
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