Der Symmetrielehrer
Bartholomäus aber hätte gern auch Butter drauf gehabt. Aus diesem Anlass stieg er regelmäßig auf den Olymp zum Vorsitzenden. Der Vorsitzende des Redaktionsrats schätzte einerseits Bartholomäus' Qualitäten als Mitarbeiter hoch, andrerseits schien er ihn schon fast zu meiden.
Sein Nachname behinderte Bartholomäus! Besonders hier, in Frankreich … Smith – kein Nachname, eher ein Spitzname. Von solchen wie ihm gab es allein im Londoner Telefonbuch nicht weniger als dreißig Seiten, sogar in der geliebten Britannica waren es mehr als dreißig große Einträge, von Adam (dem Nationalökonomen) bis Sir William (dem Admiral), für den sich Bartholomäus besonders begeisterte. Noch während seiner Tätigkeit unmittelbar bei der Britannica, die ihm gnadenhalber die erste sesshafte Arbeit gegeben hatte, dank der Verdienste seines Vaters, als dieser gestorben war und Bartholomäus heiratete und der Bruder verschwand und die Mutter die Füße einbüßte – da schob er diesen Admiral, obwohl er die Liste der Namensvettern abschloss, in der enzyklopädischen Hierarchie stufenweise aufwärts, führte ihn in verwandtschaftliche Nähe eines kleineren Religionsphilosophen, den er selbst, Bartholomäus, unter die eigenen Urgroßonkel eingereiht hatte. Den Admiral hatte er in der Enzyklopädie bereits auf eine ganze Spalte gebracht und die Verwandtschaft mit ihm fast schon überzeugend gestaltet, da musste er diesen unschuldigen Missbrauch aufgeben, und nicht etwa, weil ihn jemand überführt hätte, sondern wegen seines Bruders Katholikentum, das plötzlich eine skandalöse, fast gar politische Färbung annahm. Tja, und statt der vornehmen Verwandtschaft mit Sir William (dem Admiral) fanden sich nun in der Redaktion wachsame Kollegen, die außer dem Bruder noch eine weitere unerwünschte Verwandtschaft auftaten, fast gar eine irische (über die mütterliche Linie). Alles zusammen erwies sich als ausreichend, dass er sich in der so angesehenen und verantwortungsvollen Institution als unerwünscht empfand und sein täglich Brot (ohne Butter) verlor. So musste er ins Frankreich der Ehefrau übersiedeln, man könnte fast sagen – emigrieren.
Bartholomäus seufzte und verjagte die nostalgisch nebligen Bilder vor seinen Augen. Jetzt ließ er Puck und Fischlein die Plätze tauschen; das Fischlein kam auf einen höheren, der Puck auf einen niedereren Rang als der Feldherr, obgleich es streng nach Alphabet eigentlich andersrum …
›Wie herrlich ist doch das Alphabet!‹ sinnierte Bartholomäus. ›Alles ordnet sich dem Buchstaben unter. Bartholomäus Smith – das ist ein König, das ist ein Admiral, dagegen Smith, Bartholomäus – das ist ein Fünferschüler, ein Soldat. In die Mitte deutet der Finger häufiger, da rufen sie dich häufiger zur Tafel. In der Mitte sind es immer mehr, da tut man sich schwerer, was zu werden. Ein Smith muss ein Genie sein. Ein Smith braucht einen Wesson, sonst schießt er nicht. Ganz anders beim Buchstaben A, da führst du automatisch die Liste an, wirst seltener vorgeknöpft und bloß getroffen, wenn wer danebenschießt. Ein A kommt im Leben immer durch, A ist typisch für eine leichte Karriere. Wer sonst taugt zum Vorsitzenden, wenn nicht Adams! (Die Unzufriedenheit mit dem Wesir wie auch dem ganzen heutigen Vormittag nahm in Bartholomäus zu.) Aber auch letzter im Alphabet zu sein ist nicht schlecht … Warte nur, Jakobs [ 54 ] kriegt dich noch! Im Schatten, ganz am Ende, schließt er die Liste ab … der versteht es, den Rücken gerade zu halten, hinter den stellt sich keiner. Vom Buchstaben A steigst du nicht mehr höher und kehrst du nicht zurück, für Jakobs jedoch ist die ganze Kette sichtbar, von Я bis A. Macht die Herde kehrt, wird der letzte Hammel zum ersten! Typisch für einen Umsturz …
Bartholomäus' Sinnieren möge uns nicht hochmütig erscheinen – er hatte da seine Erfahrung. Beim Blick von oben nach unten, von seinem enzyklopädischen Olymp auf all unser irdisches Gewusel seit uralten, nicht nur vormenschlichen, sondern gar vorgeologischen Zeiten erscheint einem dann manches klar. Zum Beispiel das Karrierespektrum. Bartholomäus sah sich selbst als großen Prognostiker. Da half die Erfahrung
als Bildredakteur. Betrachtete er das Photo eines neugebildeten Kabinetts, interessierte er sich wenig für die zentrale Figur, die von der Geschichte nach vorn gerückt wurde, vielmehr achtete er auf die Außenstehenden, wer rechts stand und wer links. Sie nämlich haben
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