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Der Symmetrielehrer

Der Symmetrielehrer

Titel: Der Symmetrielehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Bitow
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Pelz oder Schuld. Das eine verdrängte das andere, und fast lief es darauf hinaus, dass mit der Rückgabe des einen die Rückgabe des anderen beglichen wäre. ›Wieder macht er halbe-halbe!‹ überlegte Bartholomäus fasziniert und lachte, zufrieden über die eigene Erfah
renheit und Gewitztheit. Wie sich zeigte, hatte er es sogar laut gesagt. Da war der Dieb so aufrichtig beleidigt, wie nur Diebe beleidigt sein können. »Beleidigst mich, Euer Hoheit«, sagte der Dieb und zog entschlossen ein unansehnliches Bündel hinterm Honigfässchen vor. »Hier!« triumphierte er, so ungerecht verdächtigt. »Hier!« Arme und Rücken schienen zu schluchzen, während er es aufschnürte. Scharfkantig gingen die Diebesschulterblätter auf und ab unterm Unterhemd. Endlich fiel das Bündel auseinander und gab den Blick frei auf das, was einst Bartholomäus' Pelz gewesen war. »Wir haben alles versucht, was wir konnten!« verkündete der Dieb hitzig, während er Wollbüschel in die hohle Hand schaufelte und sie auf das Häufchen rieseln ließ, als ob er Kleinodien verläse wie Ali Baba die Schätze. »Aber du siehst ja selber! Fetzen …« Und mit diesen Worten griff er ein etwas größeres Stück, das noch ganz schien, und ging daran, es der Nachdrücklichkeit halber wie Papier in dünne Streifen zu zerreißen. Der arme Bartholomäus hielt ihm die Hände fest …
    »Aber wir denken uns noch was aus«, beruhigte ihn der Dieb. »Ein Kürschner könnte diese Fetzen als Flicken brauchen und bietet zum Tausch eine fast neue Chinchilla-Jacke an. Zwar eine Damenjacke. Aber dafür Chinchilla! und nur eine ganz winzige Zuzahlung …« Die Unbefangenheit des Diebs rührte Bartholomäus, und er musste lachen, froh über die Rückkehr seines Humors. »Na schön«, stimmte Bartholomäus zu, »und wann zahlst du das Geld zurück?«
    Er hatte den Dieb nicht sonderlich bekümmern wollen. Es war arglistig von Bartholomäus, mit solcher Leichtigkeit über das Pelzproblem hinwegzuhüpfen. Der Dieb wiegte gleichsam tadelnd den Kopf, als wollte er sagen: Wieder die alte Leier!
    Bartholomäus konnte nur abwinken. »Ich renne, eile, bin spät dran!« Und er stürzte, jede zweite Stufe überspringend, die Treppe hinab. »Warte!« rief der Dieb nach unten. »Du verlangst wirklich kein Geld von mir, wenn ich gestehe?« Bartholomäus blieb mitten im Lauf regelrecht in der Luft hängen: Na endlich! Um das Geld war es ihm natürlich leid, dafür – welche Freiheit! So könnte man die beiden für immer und ewig lassen:
Bartholomäus, in der Luft hängend, den Kopf seitwärts wie ein Kartenkönig, und seinen Hofdieb, im Unterhemd, übers Geländer des Treppenhauses hängend (so sie zurücklassen als ziselierte Formel ihres Bundes, als eigenwilliges Monogramm, wenn die Geschichte hier enden könnte). »Bei Gott!« rief Bartholomäus, der eine solche Wendung überhaupt nicht erwartet hatte, und bekreuzigte sich. Bartholomäus' Schwur war für die Dämonologie des Diebes nicht überzeugend. »Du hast doch mein Wort!« empörte sich Bartholomäus. »Ich glaube dir«, sagte der Dieb nun überzeugt. »Na?« Bartholomäus, endlich gelandet, stampfte ungeduldig mit dem Fuß. »Na? Ich komme zu spät.« – »Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich dich achte«, sagte der Dieb mit Gefühl, »du bist mir wie ein älterer Bruder!« Bartholomäus zuckte zusammen und ruckte wie schaudernd die Schultern: Hatte er nicht gerade in den gleichen Worten gedacht? »Du bist mir wie ein leiblicher Vater«, entwickelte der Dieb es weiter, »meinst du, ich verstehe nicht, was du für mich getan hast? du hast mich aus dem Gefängnis geholt, du hast meine Kinder nicht zu Waisen werden lassen … also, für dich werde ich … wenn du nur irgendwas brauchst! ruf mich! sofort bin ich …« – »Also, was ist, gestehst du endlich?« fragte Bartholomäus, erfreut und bekümmert. Den Dieb schüttelten Krämpfe, das ersehnte Wort wollte sich schon bereitwillig von seinen Lippen lösen. »Was ist, glaubst du mir nicht?!« rief Bartholomäus drohend und stampfte mit dem Fuß. »Ach woher, ich glaube dir! wie könnte ich dir nicht glauben?« widersprach ihm der Dieb. »Also, ja oder nein?!« schrie Bartholomäus. »Was ärgerst du dich denn?« Der Dieb trat vom Geländer zurück. »Ich hab nur mal gefragt … um es genau zu wissen …«
    Wie genau denn noch! Bartholomäus entschlüpfte endlich seiner »Tausendundeine Nacht«, rannte beinahe und musste grinsen beim Rennen: Wort für

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