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Der Symmetrielehrer

Der Symmetrielehrer

Titel: Der Symmetrielehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Bitow
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nicht wieder in der Wohnung herum!!« brüllte Bartholomäus. »Dein Asiate hat es hergebracht!« – »Was hat dieser Schuft weggebracht??« – »Was ist denn passiert?« schrie die Mutter. »Wo hat er sich verletzt?« – »Um Gottes willen, bleib im Bett!« – »Lebt er noch??« – »Wie gibst du mir die Schlüssel, ich bin doch auf der anderen Seite!«
    »Und ich such dich überall!« maulte Forceps und riss ihn von der Tür los. »Brüll nicht so laut! Nichts ist passiert, ich habe eine Maschine besorgt.« Durchs Fenster des Treppenhauses sah Bartholomäus den Ausleger eines Mobilkrans vor seinen Augen wachsen, in der Kabine hing ein Arbeiter und zielte auf Bartholomäus' Balkon. »Hast du unten nicht den Rollstuhl gesehen?« fragte Bartholomäus für alle Fälle. »Nein. Geklaut. Mach dir nichts draus, ich schick dir einen anderen vorbei. Doch wo ist mein Tännchen?« – »Auch das Tännchen ist weg«, gab Bartholomäus zu. »Du bist mir vielleicht ein Waschlappen, Euer Majestät!« Forceps brach in Lachen aus, öffnete seinen Arztkoffer und nahm einen Schluck zur Brust. »Den geb ich nie aus der Hand!« Mit diesen Worten legte er vor der Tür ein steriles chirurgisches Mulltuch aus und zog aus der Tasche eine Pinzette, eine Lanzette, eine chirurgische Handsäge und ein Zängchen, das zu einer unglaublichen Schraube gewunden war. Als er alles ausgebreitet hatte, holte er aus der Hosentasche den Geldbeutel, wühlte auch darin und fand schließlich, was er brauchte. Er klopfte sacht rings um das Schloss, schmiegte sein Ohr daran, als wäre es der Rücken eines Kranken, steckte die Münze in den Schlitz, und als er durch leichte
Bewegungen der Lanzette aus dem Schloss etwas Überflüssiges, wie eine Geschwulst, entfernt hatte, drehte er an der Münze – das Schloss knackte versöhnlich, und die Tür sprang auf. Durch den Flur bewegte sich frostiger Durchzug, und ihnen entgegen kam triumphierend ein Mann mit Bauarbeiterhelm. Wie zwei Brigaden von Vortriebshauern, die von zwei Seiten einen Tunnel durchstochen und sich endlich getroffen haben, so stießen sie mitten in der Wohnung aufeinander, beiderseits zufrieden über ihre Präzision, wie Menschen, die seit Jahren an demselben Werk tätig sind, aber sich noch nie gesehen haben. »Alles in Ordnung«, meldete der Brigadier Forceps. »Wir mussten ein Fenster rausnehmen. Jetzt mache ich Ihnen die Tür auf.« – »Tun Sie das«, stimmte Forceps zu.
    Der Brigadier begab sich gehorsam zur Tür, dabei schlug seine Miene langsam in Verstörung um, und – vor der Tür stand die Herzogin mit Barthelchen dem Allerjüngsten auf dem Arm.
    Also doch das Bein. Gott sei Dank. Das Bein des Allerjüngsten war mit sämtlichen Schals umwickelt und beschuht mit einer Ohrenklappenmütze, die Bändchen obendrauf zur Schleife gebunden, als stünde das Bein auf dem Kopf … »Wer sind denn Sie? was geht hier vor?« erklang die durchdringende Silberstimme der Herzogin, unschwer zu erkennen nach der Trennung. »Wo ist das Ohr?« Der Profi Forceps kam gleich zur Sache. »Der liebe Forceps!« gurrte die Herzogin, sofort in veränderter Stimmlage. »Wie bin ich froh, dass Sie schon hier sind … und dass gerade Sie … Was für ein Ohr?!« schrie sie auf. – »Ein normales Ohr, abgerissen, im Beutel …«
    Brechen wir ab. Atmen wir durch. Eine Reihe glücklicher Szenen.
    Der Brigadier bekommt den klemmenden Ausleger nicht los, so ragt dieser noch immer wie ein großes Weihnachtsspielzeug vor den Fenstern von Bartholomäus' Residenz und erfreut Barthel den Allerjüngsten dank seiner nachdrücklichen Feuerwehrfarbe; das rausgenommene Fenster setzt der Brigadier selbst wieder ein, nach der Bekanntschaft mit Forceps' Apotheke immer erfolgreicher, wenn auch nicht gleich …
    Nachdem Forceps endlich durchschaut hat, wo bei dem Pa
tienten das Bein und wo der Kopf ist, nachdem er ebenso wie an der Tür sein Werkzeug ausgebreitet hat (auch die Säge) und unter großen Mühen den ganzen Aufbau aus Mütze, Schals, Binden und Schiene (»Was für ein Kurpfuscher hat das denn verbrochen?«) abgetragen hat, nimmt er das liebe, ein bisschen geschwollene und leicht angeschmutzte Beinchen in seine roten, wie verbrühten Pranken, zärtlich, als ob er es liebkoste und wärmte, und plötzlich scheint er es mit einer heftigen und schrecklichen Bewegung völlig auszureißen und gleich wieder einzusetzen; das Barthelchen fliegt, wie jemand, zwar ein Yankee, mal recht präzise gesagt hat,

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