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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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In Registern. Adresskarteien. Zuteilungslisten. Harmlose Begriffe, bis man sie mit Razzien und Verschleppungen in Verbindung bringt. Nein, Mr.Winter, es gibt keine Listen mehr, Gott sei Dank.«
    »Aber hier im Holocaust Center und in den anderen Gedenkstätten …«
    »Wir behandeln die Namen derer, die mit uns gesprochen haben und die weiter mit uns reden, sehr vertraulich. Die Wahrung der Privatsphäre ist für diese Leute von größter Bedeutung, Mr.Winter. Es ist schwer nachzuvollziehen, wie diese Menschen zugleich solche Ausnahmeerscheinungen und so normal und unauffällig sein können. Viele von ihnen haben bis auf die Jahre, in denen sie in den KZ s zusammengepfercht waren, ein einfaches, unspektakuläres Leben geführt. Folglich sind diese Erinnerungen etwas sehr Persönliches, das wir als solches respektieren. Im Center in Washington und dem in Los Angeles halten sie es genauso. Die Universität Yale hält ihre Videosammlung mit Augenzeugenberichten streng unter Verschluss. Sie haben mehr als zweitausend.«
    »Wie viele Holocaust-Überlebende gibt es hier in Miami Beach?«
    »In Miami Beach? Schwer zu sagen. Vor ein paar Jahren gab es eine Schätzung, die für ganz Süd-Florida auf fünfzehntausend kam. Von Boca Raton und Ford Lauderdale bis runter nach South Beach. Aber sie werden alt. Ihre Zahl schmilzt Monat für Monat dahin. Deshalb ist es so wichtig, ihre Erinnerungen festzuhalten.«
    Sie musterte ihn misstrauisch.
    »Wir haben keine Listen, Mr.Winter. Diese Leute kommen zu uns.«
    Er überlegte einen Moment angestrengt, dann nahm er einen neuen Anlauf. »Nehmen wir mal an, ich wollte jemanden zurückverfolgen. Wenn ich mich an die Einwanderungsbehörde wenden würde, meinen Sie, die hätten noch Dokumente? Ich meine, aus den Vierzigern oder frühen Fünfzigern …?« Als Esther Weiss den Kopf schüttelte, sprach er nicht weiter.
    »Das wage ich zu bezweifeln. Natürlich haben die Dokumente über die Leute, die in die Staaten eingewandert sind, und darüber, wie man mit ihnen verfahren ist. Aber eine komplette Zusammenstellung? Für Holocaust-Überlebende? Nein. Außerdem gab es so viele verschiedene Routen, über die sie hergekommen und danach auch innerhalb der Staaten weitergezogen sind. Von der Lower East Side nach Skopie, Illinois, oder Detroit oder Los Angeles und schließlich nach Miami Beach. Das sind keine amtlich registrierten Ortswechsel, die sind nur im Gedächtnis der Betroffenen festgehalten.«
    »Aber es muss doch …«
    »Was muss? In Israel hat man versucht, einfach nur die Namen der Menschen festzuhalten, die im Holocaust ermordet wurden. Sie haben drei Millionen zusammenbekommen, etwas weniger als die Hälfte. Nein, Mr.Winter, es gibt keine Listen. Nur Chaos und Erinnerungen an den Alptraum.«
    Sie schwieg und blickte ihm ins verwirrte Gesicht.
    »Sie haben eine Frage, aber Sie stellen sie nicht. Sie wissen etwas, aber Sie sagen es nicht. Sie wollen, dass ich Ihnen helfe, aber Sie teilen mir nicht mit, wieso.«
    Simon Winter wechselte unbehaglich die Stellung. Er war bestürzt. Wie konnte er nur so grenzenlos naiv sein, fragte er sich wütend, den Holocaust mit einer Art Kraftfahrzeugbehörde zu verwechseln, mit Namen und Adressen, Telefonnummern und aktuellen Fotos. Er erwiderte Esther Weiss’ eindringlichen Blick. Es war sonst nicht seine Art, Informationen preiszugeben. Er schwieg eine Weile, während die junge Frau einige Papiere auf ihrem Schreibtisch sortierte.
    »Als ich das letzte Mal hier war …«, tastete er sich vor.
    »Nach dem Tod von Sophie Millstein«, nahm sie das Stichwort auf.
    Er nickte. »Vielleicht erinnern Sie sich, dass ich mich für einen Mann interessiert habe, den Sophie nur als den Schattenmann kannte.«
    »Natürlich. Dieser Greifer. Sie waren mit den anderen Berlinern im Gespräch. Ich entsinne mich.«
    »Ich fürchte, dieser Mann, dieser Schattenmann, lebt hier in Miami Beach.«
    Esther Weiss machte den Mund auf, um etwas zu erwidern, doch dann überlegte sie es sich anders. Sie holte tief Luft, bevor sie fragte: »Hier?«
    Sie sah plötzlich blass aus, und ihre Stimme war schwach.
    »Ich glaube ja.«
    Die junge Frau zögerte. »Aber das wäre ja …« Sie schüttelte den Kopf. »… unglaublich. Entsetzlich. Ich kann nicht glauben …«
    »Ich vermute, er hat getötet, Miss Weiss. Ich glaube, er verfolgt Überlebende. Ich glaube, er hat Sophie verfolgt. Und einen Mann, einen Herman Stein …«
    »Ich kannte Mr.Stein.«
    »Und möglicherweise

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