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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Situation, Espy. Heikel.« Lasser betrachtete sinnend eine Akte auf seinem Tisch. Er nahm sie zur Hand und blätterte wie beiläufig, fast geistesabwesend darin herum. »Sie geben mir dann Bescheid, was Sie machen werden, nicht wahr?«
    Sie hatte ihre Wut wieder im Griff. »Ja, Sir, sobald ich mich entschieden habe.«
    »Zögern Sie nicht.«
    »Nein, Sir.«
    »Ach so, und noch was, Espy – sollten Sie im Hinterkopf behalten, wenn Sie sich durch dieses Minenfeld durcharbeiten. Eine Priorität …«
    »Die wäre, Sir?«
    »Wir finden Sophie Millsteins Mörder, wir stellen ihn vor Gericht und wir verurteilen ihn. Das hab ich versprochen. Ausgerechnet einem verdammten Rabbi. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Lassen Sie sich das eine Warnung sein, Espy. Wenn Sie ein Versprechen geben, das praktisch nicht zu halten ist, dann tun Sie’s wenigstens gegenüber einem Menschen, der weder hier noch im Jenseits viel zählt. Deshalb gedenke ich, so dumm das auch gelaufen sein mag, mein Versprechen zu halten.« Er sah blitzschnell von den Papieren auf seinem Schreibtisch hoch und stieß den Finger in ihre Richtung. »Sie werden es für mich halten.«
    Espy Martinez nickte, auch wenn sie sich in diesem Moment wie im Dunkeln auf Glatteis fühlte.
    Lasser lachte, doch das konnte die Spannung, die im Raum knisterte, nur geringfügig mildern.
    »Lassen Sie den Kopf nicht hängen, Espy«, sagte er, ohne ihr irgendetwas Ermutigendes mit auf den Weg zu geben. »Diese Dinge machen das Strafrecht ja gerade so spannend.« Er lächelte. »Es hat fast etwas Existenzielles. Lebensspiele, so nenne ich das gerne. Es kommt einem manchmal so vor, als wäre man mitten in einem Feiglingsspiel, bei dem zwei Autos mit Vollgas aufeinanderzurasen und man sich mit angehaltenem Atem fragt, wer als Erster ausweicht, nur dass wir es in Anzug und Krawatte, in einem Gerichtssaal mit Eichenpanelen nach einem strengen Regelwerk, mit Richtern und all dem anderen zivilisatorischen Brimborium austragen, obwohl es doch im Grunde um etwas beinahe Primitives, Archaisches geht, nicht wahr?«
    »Als da wäre?«, fragte sie bitter zurück. Sie fühlte sich vollkommen alleingelassen.
    »Gerechtigkeit«, erwiderte Lasser nonchalant.

[home]
17
    Wie von einem anderen Stern
    N achdem die beiden alten Leute ihm eine Stunde lang eine Geschichte erzählt hatten, die selbst für den hartgesottenen Ermittler der Mordkommission in ihm kaum zu fassen war, gebot Walter Robinson ihrem Bericht mit einer stummen Geste Einhalt. Er merkte, dass er eine Atempause brauchte, einen Moment, um das Gehörte zu verdauen, und so schlug er vor, ihnen allen Kaffee oder etwas Kaltes zu trinken zu bringen.
    Frieda Kroner sah finster in die Runde. »Wir trinken Kaffee, während
er
plant!«, sagte sie ärgerlich.
    »Ich denke, wir sollten weitermachen«, meinte auch Rabbi Rubinstein.
    Robinson warf Simon Winter, der seit ihrer Rückkehr ins Morddezernat Miami Beach kaum etwas zu der Unterredung beigesteuert hatte, einen Blick zu. Der alte Detective winkte dankend ab, doch als Robinson ihn weiter vielsagend ansah, fiel der Groschen, und er begriff, dass der Jüngere ihn um Hilfe bat. Also überlegte er es sich und bat: »Vielleicht eine Limonade.«
    Als er sich zu Wort meldete, fuhren Frieda Kroner und der Rabbi in ihren Sesseln herum. Frieda Kroner runzelte die Stirn und wollte etwas sagen, doch der Rabbi brachte sie diplomatisch zum Schweigen, bevor ihr die Worte über die Lippen kamen. »Vielleicht einen Kaffee, mit Milch und Zucker«, schlug er vor, und die alte Frau neben ihm nickte widerstrebend. »Zwei Stück Zucker«, murmelte sie, »um mir das Leben wieder zu versüßen.«
    »Alles klar«, meinte Walter Robinson. »Fünf Minuten. Bin gleich wieder da.«
    Er ließ sie alle in einem der Verhörzimmer sitzen und trat zielstrebig in den Flur. Ihn erfasste eine Woge der Erschöpfung, und er lehnte sich an eine Wand und schloss die Augen. Er wollte seine Vorstellungskraft ausschalten, merkte aber, dass ihm das nicht gelang. Eine schwindelerregende Sekunde lang fragte er sich, wie es gewesen sein musste, in einen Viehwaggon gepfercht zu werden und vom Gewicht der Nachbarn kaum noch Luft zu bekommen. Arbeit macht frei, musste er plötzlich denken. Er öffnete die Augen und keuchte wie ein Mann am Ende eines langen Dauerlaufs.
    Vom anderen Ende des Flurs drang das Weinen einer jungen Frau herüber. Er war für die Ablenkung dankbar. Es war der langgedehnte Laut eines Menschen, der langsam, aber

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