Der Täter / Psychothriller
dass ihr keine Unterstützung braucht?«, erkundigte sich Robinson erneut.
»Für diesen kümmerlichen Schwanzlutscher bestimmt nicht«, erwiderte der Detective.
»Leck mich!«, schrie der Junge. Doch als er immer wieder mit dem Gesicht auf den Boden krachte, dämpfte das schnell seine Kampflust. »Leckt mich beide!«, brachte er zwischen den Schlägen heraus.
»Worum geht’s?«, fragte Robinson.
»Der Kleine hat sich bei ’nem Drogendeal übers Ohr hauen lassen. Gott, und was für ein großartiger Deal! Crack im Wert von fünfzig Mäusen. Geht nach Hause, schnappt sich aus Daddys Nachtschrank ’ne Neun-Millimeter und macht sich auf die Suche nach dem Typen, der ihn über den Tisch gezogen hat. Er schießt den Jungen auf offener Straße in den Kopf, direkt vor der Miami Beach High, bei Schulschluss. Eine Freizeitbeschäftigung der besonderen Art, wie? Hat ’ne richtige Show abgezogen, so was wie
Miami Vice
aus den Achtzigern, minus schicke Klamotten und angesagte Frisuren, minus Rennboote und schnelle Schlitten. Dafür hat er echtes Blut verspritzt. Wegen fünfzig Mäusen, du Vollidiot.« Bei jedem Wort des letzten Satzes hatte der Detective den Kopf des Jungen im Takt zu seinen Gefühlen auf den Boden gestoßen.
»Und
du
siehst nicht wie Don Johnson aus«, stellte Walter Robinson fest.
Der Detective, ein junger Mann, zuckte grinsend mit den Achseln: »Jeder wie er kann.«
Der Teenager sackte zusammen. Die beiden Polizisten zerrten ihn hoch, und der Junge knurrte: »Fickt euch, Scheißbullen.« Als er den Kopf an die Wand lehnte, quoll ihm ein leuchtend roter Blutstrahl aus der Nase und lief über Lippe und Kinn. »Ihr habt mir die scheiß Nase gebrochen!«, heulte er. »Drecksäcke!«
»Nein, haben wir nicht«, antwortete der Detective ruhig. »Das war der Boden.«
»Fickt euch«, wiederholte der Junge, als der ältere Beamte über die hinterhältige Bemerkung des jüngeren lachte.
»Kannst du dir nicht mal was Neues einfallen lassen, Arschloch?«, beklagte sich der ältere Detective sarkastisch. »Ich meine, Dumpfbacke, kapierst du nicht, dass uns schon genug Leute gesagt haben, wir sollen uns ficken, praktisch im Minutentakt oder zumindest einmal die Stunde, und das tagein, tagaus, so dass wir es uns nicht mehr fürchterlich zu Herzen nehmen? Ich meine, als Beleidigung zieht das einfach nicht. Also, wie wär’s mal mit was Cleverem? Zeig mal, was du auf dem Kasten hast, sei originell, Dumpfbacke. Sag was, das uns so richtig trifft. Gönn uns den Spaß.«
»Fickt euch«, antwortete der erstaunte Teenager.
Der ältere Detective wandte sich an Walter Robinson. »Da kommt man über die junge Generation echt ins Grübeln, Walt, was?« Er grinste. »Zu viel Fernsehen. Schlägt aufs Hirn. Zu viel laute Musik. Stumpft die Sinne ab. Stimmt’s, Dumpfbacke?«
»Fick dich«, wiederholte der Junge sein Mantra.
»Siehst du, was ich meine?«, sagte der Detective. Er ruckte noch einmal an den verdrehten Armen des Verdächtigen.
»Aauu!«, brüllte der Junge. »Fick dich! Ich krieg trotzdem nur Jugendstrafe, Arschloch.«
»Für vorsätzlichen Mord? Träum weiter, Kleiner«, erwiderte der Detective. Dann setzte er sich mit dem Kollegen in Bewegung, indem sie den Delinquenten Richtung Fahrstuhl halb schoben und halb zogen, um ihn in eine Verwahrzelle zu bringen, in der er ein paar Stunden schmoren würde, während die Beamten den unvermeidlichen Papierkram erledigten.
Der zweite Detective blieb einen Moment neben Robinson stehen, um sich die Kampfspuren vom Anzug zu wischen. Während er sich mit den Händen über den Stoff strich, flüsterte er: »Der kleine Mistkerl hat vermutlich auch noch recht. Der Junge, auf den er geschossen hat, liegt im Koma, kommt aber wahrscheinlich durch, auch wenn er von jetzt an nicht gerade ein allzu tolles Leben vor sich hat, und wir müssen die Anklage auf versuchten Mord und schwere Körperverletzung mit einer tödlichen Waffe runterstufen. In was für einer Welt leben wir eigentlich, Walt, he? Baller gleich los, wenn dir einer fünfzig Mäuse schuldet, macht ja nix, denn irgendein Richter sagt dir dann: ›Du unartiger Lümmel, tu das bitte ja nicht wieder …‹ Na ja, wir werden den Richter wenigstens zu überreden versuchen, ihn nicht nach Jugendstrafrecht zu verknacken. Nur dass er gerade mal sechzehn ist. Shit. Sechzehn, aber sonst in jeder Hinsicht sechsundzwanzig.« Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte er seinem Partner und dem Tatverdächtigen hinterher.
Walter
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