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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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unaufhaltsam in den Abgrund der Verzweiflung gleitet, keine Agonie, sondern dumpfe Trauer. Er kannte den Fall; eine einundzwanzigjährige Mutter hatte ihre drei kleinen Kinder, das älteste fünf, unbeaufsichtigt in ihrer kleinen Wohnung zurückgelassen, während sie im Laden um die Ecke Windeln und Lebensmittel einkaufte. Sie stammte aus Nicaragua und war erst seit wenigen Monaten im Land – das heißt, gerade lang genug für ihren Mann, sich davonzustehlen, und nicht lange genug, um Freunde zu finden, die ihr mit Babysitten aushelfen konnten. Das Rattenloch, in dem sie wohnte, tauchte gewiss auf keinem der idyllischen Fotos der Touristeninformation auf, die lieber mit dem unbeschwerten, sonnengebräunten Miami Beach kokettierte. An den Fenstern zur Wohnung der jungen Frau fehlten die Fliegengitter, und die Klimaanlage funktionierte nicht, so dass sie, wenn sie geöffnet waren, die Hitze des Tages hereinließen. Während sie einkaufen ging, war der Dreijährige aus dem Kinderbettchen geklettert, in das sie ihn gesteckt hatte, und auf die Fensterbank gekraxelt, um ein wenig frische Luft zu bekommen oder nur mit der Neugier eines Kindes zu sehen, woher der Straßenlärm kam. In schwindelnder Höhe hatte er das Gleichgewicht verloren und war kopfüber aus dem zweiten Stock des Wohngebäudes gestürzt. Genau in dem Moment, als seine Mutter zurückkehrte, war er auf dem Zement des Bürgersteigs aufgeschlagen, so dass sie mitansehen musste, wie ihr Kind dem Pflaster entgegenraste und mit einem grässlichen knirschenden Geräusch fast genau vor ihren Füßen landete.
    In dem Moment hatte sie geschrien, jedoch seit ihrer Ankunft im Präsidium außer einem gelegentlichen Hilferuf an Santa Maria, Madre del Dios, kein Wort mehr gesprochen, sondern sich an ihren Rosenkranz geklammert.
    Walter Robinson stieß einen langen, tiefen Seufzer aus. Die junge Frau begreift das alles nicht, dachte er. Sie versteht kaum diesen Tod, sie versteht dieses Land nicht, und sie würde vermutlich ohnehin nicht viel verstehen, weil sie arm, ungebildet und allein ist, und ganz gewiss versteht sie nicht, weshalb die
policía
ihr die anderen beiden Kinder weggenommen hat und dabei ist, sie wegen Fahrlässigkeit anzuzeigen. Schließlich war sie auf dem Weg zum Lebensmittelladen, um ihnen von ihren letzten Dollars Milch zu kaufen, weil sie die Kinder liebte.
    Er löste sich von der Wand und verdrängte das Schluchzen der Frau in das allgemeine Hintergrundgeräusch, das alle Polizeireviere kennzeichnet, auch die modernen, mit Teppichboden und in die Decke eingelassenen Leuchten. Es war traurig, aber die Norm, und er wusste, dass niemand, der eine Uniform oder eine Dienstmarke trug, diese Traurigkeiten allzu nah an sich heranlassen durfte, auch wenn jede vermutlich irgendwo in der Psyche einen Kratzer hinterließ. Er setzte sich energisch in Bewegung und bremste seine Schritte nur einmal, als sich die Tür zu einem anderen Verhörzimmer öffnete und in einem Gerangel zwei Detectives mit einem Jugendlichen in Handschellen herausstürzten.
    »Komm schon, tougher Bursche«, befahl einer der Beamten, doch der Teenager mit dem von Akne vernarbten Gesicht und den langen Schnittlauchlocken sowie einem Tattoo auf dem beachtlichen Bizeps, das einer Heavy-Metal-Band huldigte, dachte nicht daran, der Anweisung zu folgen, sondern rammte sich erneut in die beiden Polizisten. Alle drei taumelten in einem einzigen Knäuel zu Boden.
    Als Robinson rasch hinübereilte, gab es einen kurzen Ringkampf der drei Akteure.
    Der Jugendliche versuchte, nach den Detectives zu treten. Die Männer ihrerseits rollten sich mit eingeübten Griffen auf den Tatverdächtigen und hatten ihn augenblicklich unter Kontrolle. Die Szene erinnerte Robinson an einen Streit zwischen Brüdern, bei dem die älteren sich auf den jüngeren setzen, bis er sich nicht mehr wehrt.
    »Brauchen Sie Hilfe?«, fragte Robinson fast beiläufig.
    »Äh, nein, nicht nötig, Walt«, erwiderte einer der Kollegen, während er sich in aller Seelenruhe bückte, ein Büschel langer, schwarzer Haare packte und dem Jungen das Gesicht fest auf den Boden schlug.
    »Scheiß Bullenarschloch!«, brüllte der Junge.
    Der Polizist wiederholte die Aktion.
    »Wichser!«
    Der zweite Beamte manövrierte sich herum, stieß dem Teenager ein Knie in den Rücken und verdrehte ihm brutal die Arme.
    »Das hast du ja wenigstens nicht vermasselt«, brachte er eher irritiert als wütend mit zusammengepressten Zähnen heraus.
    »Sicher,

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