Der Täter / Psychothriller
zu warten, Mr.Jefferson. Weil ich ein paar Fragen und ein paar Zweifel habe und Ungewissheit hasse. Sie sind ein Profi-Krimineller, Mr.Jefferson. Finden Sie nicht, dass das immer die klügste Devise ist? Nimm das Schlimmste an? Nimm an, es gibt ein Problem, und falls doch nicht, bist du angenehm überrascht. Hab ich nicht recht, Mr.Jefferson?«
»Mann, ich hab keine Ahnung, wovon Sie reden …«
Die letzten Worte, die er sagte, gingen in einem beißenden Schmerz unter, als die Messerklinge erneut in dem Verband stocherte und sich in Haut und Muskeln bohrte. Er atmete heftig aus:
»Gottverdammt, das tut weh, Mann, ich weiß nicht, was Sie wollen, Sie spinnen doch, lassen Sie mich in Frieden …«
»Wer bin ich, Mr.Jefferson?«
Leroy Jefferson antwortete nicht. Vor Schmerzen liefen ihm die Tränen über das Gesicht. Nur verschwommen und bruchstückhaft verstand er, was der Mann sagte. Sein Mund fühlte sich sauer und trocken an.
»Ein Mörder«, erwiderte Leroy Jefferson.
Der Mann hielt inne, und Jefferson hörte, wie er tief Luft holte.
»Das ist schon mal ein Anfang«, stellte der Mann fest. »Eine einfache Frage zwischendurch. Wer ist Simon Winter?«
Leroy Jefferson war verwirrt. Er leckte sich den Schweiß von den Lippen. »Nie gehört.«
Wie eine Rakete schoss ihm der Schmerz ins Gehirn, er schnappte in der Dunkelheit nach Luft, und ein Schrei stieg ihm unaufhaltsam die Kehle hoch, endete jedoch in einem gurgelnden Laut, als der Mann befahl: »Seien Sie still!«
Sein Bein stand in Flammen. Die Klinge war durch die Verbände gedrungen und drehte sich im Fleisch. Leroy Jefferson versuchte, sich vorzubeugen und zerrte am Klebeband und am Rollstuhl, die beide seine Bewegungsfreiheit aufs äußerste reduzierten. »Mein Gott, Mann! Bitte tun Sie das nicht!«
»Wer bin ich, Mr.Jefferson?«
»Bitte, bitte, ich mach alles, aber tun Sie das um Gottes willen nicht noch mal!«
»Das war nur der Anfang, Mr.Jefferson. Also noch mal von vorne. Wer ist Simon Winter, und was weiß er über mich?«
Leroy Jefferson brachte einige Worte heraus, einen Ausbruch blanker Angst, als fühlte er schon jetzt die Flammen in seinem Knie, während das Messer Sehnen und Nerven durchschnitt.
»Mann, keine Ahnung! Hab den Namen noch nie gehört!«
Einen Augenblick lang schwieg der Mann, und Leroy Jefferson suchte die Dunkelheit nach dem Messer ab. Er spürte, dass der Mann neben ihm die Stellung wechselte und die Hand nach dem Bein ausstreckte. »Das ist wahr, Mann!«, fügte er hastig hinzu. »Ich hab keinen blassen Schimmer, tun Sie mir nicht wieder weh!«
»Na schön«, meinte die Stimme nach einer Pause. »Ich hatte auch nicht unbedingt damit gerechnet, dass Sie die Antwort auf diese Frage wissen.« Wieder trat Stille ein, dann sagte die Stimme: »Mr. Jefferson, man muss die Geduld einer Spinne haben. Sein Netz weben und dann warten, bis sich das Opfer selbst ausliefert.«
Die Stimme legte eine wirkungsvolle Pause ein. »Ist es nicht so, Mr.Jefferson?«
Leroy antwortete prompt. »Sicher, ja. Wenn Sie es sagen.«
Ein trockenes, bitteres Lachen drang durch das Dunkel. »Wer bin ich, Mr.Jefferson?«
»Bitte! Ich weiß es doch nicht. Ich will es auch nicht wissen, und selbst wenn ich es wüsste, würde ich es keinem sagen.«
»Halten Sie mich für einen Kriminellen, Mr.Jefferson?«
»Nein. Doch, ja, Mann, ich weiß nicht …«
»Glauben Sie, ich bin ein Parasit, der raubt und tötet, um eine widerwärtige Drogenabhängigkeit zu finanzieren? Meinen Sie, ich bin wie Sie?«
»Nein, nein, so habe ich das nicht gemeint.«
»Wer bin ich dann, Mr.Jefferson?«
Leroy Jefferson schluchzte nur zur Antwort, eine flehentliche Bitte unter den qualvollen Schmerzen von seinem misshandelten Knie. »Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht …«
Er hörte, wie der Mann begann, in der Wohnung umherzugehen, während er selbst versuchte, den Kopf in die jeweilige Richtung zu drehen und der Gestalt durch den Schatten des Wohnzimmers zu folgen. Nach einer Weile fragte die Stimme in ungerührtem, doch mäßig neugierigem Ton:
»Sagen Sie mir eins: Falls Sie heute Nacht, hier und jetzt sterben würden, Mr.Jefferson, würde die Welt auch nur eine Sekunde lang aufhorchen und Ihren Abgang registrieren?«
»Mann, bitte, ich sage Ihnen, was Sie wollen, aber ich versteh nicht, was Sie wollen. Ich versteh’s einfach nicht. Ich versteh’s nicht.«
»Ich hatte einmal Anteil an großen Dingen, Mr.Jefferson. An einigen der größten Momente, die
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