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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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dachte an den röchelnden Schrei, den einzigen Laut, den Sophie Millstein vor ihrem Tod herausgebracht hatte. Er schauderte; er merkte, wie er aus panischer Angst die Kontrolle über seinen Darm verlor, doch er kämpfte dagegen an, atmete schnell und heftig und überwand auch das Zittern in seinen Händen, das Zucken in den Augenlidern. Versuche, dich mit Reden rauszuwinden, befahl er sich. Quatsch ihn zu. Mach einen Deal.
    »Schon besser so«, meinte die Stimme. »Und jetzt die Hände langsam hinter den Stuhl, die Handgelenke zusammen.«
    »Das müssen Sie nicht machen, Mann. Ich sag Ihnen, was Sie wissen wollen.«
    »Ausgezeichnet, Mr.Jefferson, das ist sehr beruhigend. Und jetzt die Hände bitte langsam nach hinten. Sehen Sie’s mal so: Jeden Knoten, den ich binde, kann ich auch wieder lösen. Alexander der Große hat das bewiesen. Wissen Sie, wer Alexander war, Mr.Jefferson? Nein? Hätte mich auch gewundert. Aber so viel wissen Sie schon, nicht wahr: Es ist immer klüger, einem Mann seinen Willen zu tun, wenn er einem ein Messer an den Hals hält.«
    Die ausdruckslose Stimme wirkte geduldig, kalt, höchstens mit einer leisen Spur von Nachdruck. Dafür sprach die Messerklinge an seiner Haut eine deutliche Sprache. Der Druck nahm ein wenig zu, eben genug, dass sich eine dünne Blutspur bildete. Jefferson streckte gehorsam seine Hände hinter sich. Er fühlte, wie das Messer um seine Kehle zu seinem Ohr, dann in seinen Nacken glitt, dann spürte er es gar nicht mehr. In dieser Sekunde hatte er das gewaltige Verlangen, aufzuspringen und sich zur Wehr zu setzen, doch der Drang verging so schnell, wie er gekommen war. Er mahnte sich: Cool bleiben. Du kannst nicht wegrennen, und du kannst dich nicht wehren. Er hörte ein Reißen, dann merkte er, wie ihm die Hände mit Klebeband gefesselt wurden.
    Als seine Arme bewegungsunfähig waren, wurde Jefferson in die Mitte des Wohnzimmers gerollt. Er wartete und keuchte wie ein Läufer, der versuchte, die Schnellsten im Rennen einzuholen.
    »Wer sind Sie, Mann? Was wollen Sie? Wozu fesseln Sie mich? Ich geh nirgendwo hin.«
    »Das ist richtig, Mr.Jefferson.«
    »Wer sind Sie, Mann? Was wollen Sie?«
    »Nein, Mr.Jefferson, die Frage geht an Sie:
Wer bin ich?
«
    »Keine Ahnung, Mann. Irgendein verrückter weißer Mistkerl, das sind Sie.«
    Die Stimme lachte wieder. »Kein guter Anfang, Mr.Jefferson. Wieso lügen Sie mich an?«
    Der Mann beugte sich vor und stocherte mit dem Messer an den Bandagen um Jeffersons zerschmettertes Knie herum, so dass ihm Schmerzen in allen Regenbogenfarben durch den ganzen Körper schoss.
    »Gott, Mann! Was machen Sie da? Ich hab keinen Schimmer!«
    »Wer bin ich, Mr.Jefferson?«
    »Keine Ahnung! Ich hab Sie noch nie gesehen.«
    »Ich hasse Lügen. Noch einmal, wer bin ich, Mr.Jefferson?«
    »Ich weiß nicht, ich weiß nicht, Gott, wieso tun Sie das?« Leroy Jeffersons Stimme klang vor Panik schrill.
    Der Besucher seufzte. Jefferson spürte das Messer an seinem Bein und spannte gegen den erwarteten Schmerz die Bauchmuskeln an, doch die Stimme fuhr einfach fort.
    »Ich hab Sie heute gesehen, Mr.Jefferson. Im Gerichtssaal, wo Sie sich all dieser an den Haaren herbeigezogenen Anklagen schuldig bekannt haben. Ich hatte solche Hoffnungen in Sie gesetzt, Mr.Jefferson, als ich von Ihrer Verhaftung las. Und nun stellen Sie sich meine Überraschung vor, als heute Morgen in der Zeitung stand, die Anklage wegen Mordes an Sophie Millstein sei fallengelassen worden – und Sie würden der Polizei bei ihren Ermittlungen helfen. Natürlich war dem Artikel nicht zu entnehmen, um was für Ermittlungen es sich dabei handelte, aber ich hielt es für besser, auf Nummer sicher zu gehen. Also hab ich mich beeilt und bin zu dieser Verhandlung gegangen. Ich saß neben all den anderen Neugierigen und Betroffenen im Hintergrund und hab gewartet, bis Sie rauskamen. Sie schienen ziemlich in Gedanken, Mr.Jefferson. In Ihrem Eifer, die ganze Sache hinter sich zu bringen, haben Sie Ihrer Umgebung wenig Beachtung geschenkt. Das kann sich jemand im kriminellen Gewerbe nicht leisten, nicht wahr? Immer klüger, sich Klarheit darüber zu verschaffen, wer wer und was was ist, selbst in einem überfüllten Gerichtssaal. Sie hätten sich die Zeit nehmen sollen, jede Reihe durchzugehen und sich die Gesichter genau anzuschauen. Aber das haben Sie nicht getan, oder, Mr.Jefferson? Stattdessen haben Sie mir praktischerweise gleich Ihre Adresse mitgeteilt. Also bin ich hergekommen, um auf Sie

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