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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Art kommen vor. Aberwitzige, unglaubliche Zufälle sogar. Alle Ermittler können von Fällen erzählen, die niemand auch nur ansatzweise hätte ahnen können. Bei der Arbeit im Morddezernat sind solche Dinge vielleicht nicht gerade an der Tagesordnung, aber doch durchaus vertraut. Andererseits gibt es für die überwältigende Mehrzahl der Tötungsdelikte vollkommen normale, eindeutige Erklärungen. Daher ist es wichtig, zunächst einmal nach den einfachen Antworten zu suchen, die sich im Allgemeinen als richtig erweisen.«
    »Damit wollen Sie also sagen …«, schaltete sich Irving Silver ein.
    »Lass ihn ausreden!«, wiederholte Frieda Kroner gereizt und knuffte ihn erneut in die Seite. »Du unhöflicher alter Stiesel!«, wies sie ihn zurecht.
    »Danke, Mrs.Kroner, aber eigentlich war ich fertig.«
    Der Rabbi nickte. »Sie meinen also, ja, es könnte genau so gewesen sein, wie es aussieht. Ein Selbstmord. Ein Mord durch einen Junkie.«
    »Richtig.«
    Wieder herrschte beredtes Schweigen.
    »Haben Sie sich persönlich eine Meinung gebildet, Mr.Winter?«, fragte Frieda Kroner.
    »Ich habe Fragen, Mrs.Kroner«, erwiderte Simon Winter. »Und ich glaube, es ist sinnvoll, die Zweifel ernst zu nehmen, wenn es so viele gibt. Egal, wie Sophie und Mr.Stein gestorben sind, es wird für Sie drei wohl schwierig sein, ein normales Leben zu führen, wenn Sie die ganze Zeit fürchten müssen, dass Ihnen dieser Kerl auf Schritt und Tritt folgt. Falls er tatsächlich noch lebt.«
    Sie nickte, ebenso der Rabbi.
    »Ich bin immer noch entschlossen, mir eine Waffe zu besorgen«, murmelte Irving Silver.
    Sie schwiegen. Winter beobachtete, wie sich in Irving Silvers Augenwinkeln Tränen bildeten, während der Mann langsam, fast unmerklich den Kopf schüttelte, als wollte er all die bösen Gedanken, die sich hartnäckig bei ihm festgesetzt hatten, vertreiben.
    Der Rabbi beugte sich vor und fuhr sich mit allen zehn Fingern durch seinen zerzausten, dichten Haarschopf. Er blies die Backen auf und ließ die Luft langsam durch die geschürzten Lippen entweichen. Dann sah er zu Simon Winter auf. »Sie werden uns helfen, Mr.Winter?«
    Winter spürte plötzlich eine unbeugsame Härte. Er blickte in die drei Gesichter der älteren Menschen und erinnerte sich an die zitternde Hand seiner Nachbarin auf seinem Arm, als er seinen eigenen Tod unterbrochen hatte, um sie hereinzulassen. Ein verstohlener Blick offenbarte eine ähnliche Tätowierung am Unterarm des Rabbi, und es stand zu vermuten, dass sich unter Mrs.Kroners üppigem weißen Pullover wie unter Mr. Silvers losem karierten Hemd ein ebensolches Mal verbarg. Ich habe ihr meine Hilfe versprochen, musste er denken, aber ich kam zu spät. Ihm wurde bewusst, dass dieses Versprechen für ihn immer noch galt, und so antwortete er: »Ich will es versuchen, Rabbi. Ich kann nicht sagen, was ich wirklich tun kann …«
    »Sie wissen Dinge, von denen wir keine Ahnung haben. Eine Menge Dinge.«
    »Es ist lange her.«
    »Vergisst man solche Dinge jemals? Diese Techniken?«
    »Nein.«
    »Dann können Sie uns auch helfen.«
    »Ich hoffe.«
    Die drei Freunde tauschten kurze Blicke.
    »Ich glaube, wir sind auf Hilfe angewiesen«, sagte Mrs.Kroner. »Vielleicht mehr, als wir offen zugeben mögen, Mr.Winter.«
    »Ich will trotzdem eine Waffe«, beharrte Irving Silver. »Hätten wir damals Waffen gehabt …«
    »Dann hätten uns die Nazis auf der Stelle erschossen!«
    »Vielleicht wäre das am besten gewesen.«
    »Wie kannst du so was sagen, du alter Dummkopf! Wir haben überlebt! Und aus diesem Grund kann es nicht in Vergessenheit geraten!«
    »Mag ja sein, dass die Welt es nicht vergessen hat, aber was hat sie daraus gelernt?«
    Irving Silver und Frieda Kroner funkelten einander an. Der Rabbi seufzte.
    »So sind sie oft«, erklärte er Winter. »So waren wir alle mal, in jungen Jahren, als wir in diese monströsen Ereignisse hineingerieten, und jetzt streiten wir uns. Sogar die Historiker. Aber wir waren da, und wir haben etwas am eigenen Leib erfahren, das vielleicht den Rahmen der Geschichte sprengt.«
    »
Er
auch …«, warf Irving Silver ein.
    Der Rabbi sah die anderen schweigend an.
    »Stimmt.
Er
gehörte ebenso dazu wie alle anderen, die entweder starben oder überlebten.«
    »Und
er
hat es auch nicht vergessen«, fügte Irving Silver hinzu.
    »Richtig, das glaube ich auch.«
    Frieda Kroner betupfte sich mit einer Serviette die Augenwinkel. »Falls
er
hier ist …«
    »Und uns findet …«, stimmte

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