Der Täter / Psychothriller
strenger an.
In der plötzlich einsetzenden Stille spürte Espy Martinez, wie ihr eine heiße Woge durch den ganzen Körper ging. Die nächsten Worte, die in dem kleinen Zimmer fielen, schienen von jemand anderem zu kommen, nicht von ihr, auch wenn sie jedes einzelne deutlich hören konnte.
»Hehlerei, na ja, zwei bis fünf Jahre. Keine große Sache, bei mittlerer Sicherheitsstufe. Dazu Einbruch, fünf bis zehn. Da wird es schon ein bisschen ungemütlicher, aber bei guter Führung spart man sich ein paar Jährchen, und man sitzt vielleicht nur drei davon ab. Aber dann der Sprung zur Körperverletzung. Also, da hört der Spaß auf, Reggie. Gott, die zuständige Staatsanwältin, also, was sie wirklich
hasst
, ist Gewalt gegen alte Leute. Das bringt Ihnen locker zehn bis fünfzehn ein. Kann gut sein, dass der Richter es sich in dem Fall zweimal überlegt, ob er die Kommission für bedingte Haftentlassung überhaupt noch ins Spiel bringt … Also, gute Führung können Sie gleich vergessen.«
Espy Martinez sah, wie am anderen Ende des Tischs der Pfandleiher um Fassung rang. Jedes Wort und jede Zahl, die in ihrem Vortrag gefallen waren, schienen ihm die Brust enger zu schnüren.
Während sie noch leiser und noch schärfer den Faden wieder aufnahm, war ihr in irgendeinem Winkel ihres Bewusstseins klar, dass sie sich köstlich amüsierte.
»… aber das Nächste ist dann wirklich nicht mehr lustig, Reggie. Beihilfe zum Mord, fünfzehn Jahre bis lebenslänglich. Wobei aber niemand mit fünfzehn davonkommt. Schon gar nicht, wenn das Opfer eine kleine alte Frau ist. Kein schönes Leben übrigens im Bau …«
Sie sah ihn ungerührt an.
»Und danach kommt auch schon die Endstation: vorsätzlicher Mord. Na ja, Reggie, was in diesem Bundesstaat darauf steht, ist Ihnen sicher bekannt. Zweitausendzweihundert Volt.« Sie formte mit der Hand eine Pistole und schloss ihren Vortrag mit den Worten: »Zack. Aus und vorbei.«
Johnson, dessen Hände Robinson immer noch im Schraubstock hatte, versuchte, sich in seinem Stuhl zu Martinez umzudrehen.
»Was reden Sie da?! Todesstrafe! Ich sag doch, ich hab keinen Mord begangen!«
Espy Martinez beugte sich vor. »Ich hab aber genug in der Hand, um Anklage gegen Sie zu erheben. Mehr als genug. Außerdem ist es im Grunde egal, wie viele Beweise ich hab …«
»Wie meinen Sie das?«, fragte der Pfandleiher verzweifelt.
»Eine kleine alte Dame. Hat keiner Fliege was zuleide getan. Was meinen Sie, Reggie? Was glauben Sie, was wird ein Haufen weißer, gutsituierter Bürger von Miami sagen, wenn sie Sie in den Gerichtssaal kommen sehen, schwarz und wütend und grob. Meinen Sie, die kümmern sich einen Dreck um irgendeinen Beweis? Mit Sicherheit nicht. Jedenfalls nicht, nachdem ich aufgestanden bin und all diesen netten Weißen erzählt habe, dass Sie ihr den Hals umgedreht haben. Dass Ihre Finger ihr so lange die Luft abgedrückt haben, bis sie tot war. Sie werden nur daran denken, dass es ihre Mutter oder ihre Tante Mable hätte sein können. Glauben Sie wirklich, dass sie noch einen Pfifferling auf irgendwelche Indizien geben, nachdem sie sich das angehört haben? Sie haben ganz bestimmt nur noch den einen Wunsch, dass Ihr Arsch für immer verschwindet. Also, was werden diese weißen Geschworenen Ihrer Meinung nach wohl sagen?«
»Ich war’s nicht!«
»Schuldig. Schuldig im Sinne der Anklage.«
Sie legte eine Pause ein und beobachtete, wie der Pfandleiher unter jedem ihrer Worte weiter in sich zusammengesackt war.
»Und der Richter? Reggie, was wird Ihrer Meinung nach dieser gutsituierte, weiße Richter sagen? Jemand, der darauf hofft, dass ihn all diese Leute nächstes oder übernächstes Jahr wieder wählen?«
»Ich war’s aber nicht!«
»All diese weißen Bürger, Reggie. Was glaubst du?«
Wieder herrschte eisiges Schweigen im Raum.
Espy Martinez holte tief Luft und zeigte mit dem Finger auf Reginald Johnson. »Zack«, machte sie erneut. »Leb wohl, Reggie.«
Endlich ließ Walter Robinson die Arme des Pfandleihers los. Martinez stand auf. Sie legte alle Verächtlichkeit, die sie aufbieten konnte, in den Blick, mit dem sie Reginald Johnson von oben herab betrachtete.
»Detective, leisten Sie diesem Abschaum Gesellschaft. Ich denke, ich rede unterdessen ein paar Takte mit Yolanda. Wir beide, na ja, ich finde, wir verstehen uns sehr viel besser, und wenn ich schon jemandem einen netten kleinen Deal anbiete, bei dem jemand heute Abend wieder nach Hause spazieren und einfach
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