Der Täter / Psychothriller
weiterleben kann, als wär nichts gewesen, dann wohl entschieden eher dieser hübschen jungen Frau. Außerdem steht fest, dass Sergeant Lion-Man lieber bei dem Mädchen ein Auge zudrücken würde, als bei diesem Mistkerl hier …«
»Sie können Yolanda keinen Deal vorschlagen! Sie weiß doch gar nichts!«
»Ich wette, dass Sie sich die Augen reiben würden, wenn Sie wüssten, was das Mädel so alles aufgeschnappt hat. Wir haben uns bestimmt eine Menge zu erzählen.«
»Sie hat keine Ahnung …«
»Aber sie ist diejenige, die als freie Frau hier rausspaziert.« Das verkündete sie in eisigem Ton.
Walter Robinson grinste und nickte. Es juckte ihm in den Fingern, Applaus zu klatschen, und er konnte sich nur mühsam beherrschen. Reginald Johnson schien sich in Panik seine Situation vor Augen zu führen, dann platzte er heraus: »Ich weiß nicht, woher der Scheiß kam! Der Kerl ruft mich mitten in der Nacht an, will mich im Laden treffen, hat mir Ware anzubieten, na ja, ich hatte keine Ahnung! Hab keine Fragen gestellt! Bin einfach nur hingegangen und hab ihn draußen getroffen. Da wartete er schon. Das ist die Wahrheit! Von ’nem Mord wusste ich nichts.«
»Wer, Reggie?«, fragte Walter Robinson.
»Wenn ich Ihnen sage, wer, müssen Sie mir versprechen …«
»Wer! Gottverdammt! Ich verspreche dir gar nichts, du Haufen Dreck! Wer?«, brüllte Robinson dem Pfandleiher ins Gesicht.
Wie ein Schwimmer, über dem eine Welle zusammenschlägt, versuchte Reginald, sich über Wasser zu halten. Schließlich sackte er in sich zusammen und sagte:
»Der Mann heißt Leroy Jefferson.«
»Ist er ein Junkie?«
»Er raucht gerne Gras, hab ich mir sagen lassen.«
»Ist er ein regelmäßiger Kunde von dir?«
»Letzten Monat oder so ist er ziemlich häufig vorbeigekommen.«
»Hat er einen Spitznamen?«
»Schon. Die nennen ihn Hightops, weil er immer diese teuren Basketballschuhe trägt.«
»Und wo wohnt Hightops?«
»King Apartments. Ich glaube, Nummer dreizehn.«
»Bringt Unglück«, meinte Walter Robinson, während er sich vom Tisch erhob und den Pfandleiher, der den Kopf in den Händen vergraben hatte, seinem Kummer überließ.
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11
Ein Mann der Präzision
F ast im selben Moment, in dem Walter Robinson und Espy Martinez aus dem Verhörzimmer mit dem Hochgefühl traten, den Namen des Mannes zu kennen, der höchstwahrscheinlich Sophie Millstein ermordet hatte, fand sich Simon Winter im Büro des Morddezernats einem jungen Detective namens Richards gegenüber, der sich offenbar nicht recht entscheiden konnte, ob er dem älteren Mann mit Höflichkeit begegnen oder seine Ungehaltenheit über die Belästigung offen zeigen sollte.
»Danke, dass Sie sich so kurzfristig Zeit für mich nehmen, Detective«, eröffnete Winter das Gespräch.
»Es ist ein abgeschlossener Fall, Mr.Winter. Ich musste mir die Akte aus dem Archiv besorgen.«
»Ich weiß Ihre Mühe zu schätzen.«
»Ja, schon gut, gern geschehen, aber mir ist immer noch nicht ganz klar, wieso Sie sich für den Tod dieses Mannes interessieren.«
Winter entschied sich für eine Lüge. »Na ja, Stein war mit mir verwandt – um einige Ecken – verschwägert, genauer gesagt. Und Sie wissen ja, wie schwer es ist, wenn man jemanden Jahre lang nicht gesehen hat und plötzlich erfahren muss, er sei gestorben, besonders, wenn es heißt, er hätte Selbstmord begangen. Deshalb wurde ich, weil ich nun mal hier in der Gegend wohne, gebeten, noch einmal nachzuhaken, auch wenn es schon Monate her ist. Sie wissen ja, wie manche Leute sind. Sie mäkeln herum. Können manches nicht fassen. Die meisten Menschen haben Probleme damit, die Dinge einfach so zu nehmen, wie sie sind, und irgendwann schicken sie jemanden vor, der ein bisschen nachbohren soll …«
»Verstehe.«
»Familien. Manchmal können die einem …«
»Mächtig auf den Geist gehen. Kann ich nachvollziehen.«
»Sehen Sie«, meinte Winter und zuckte übertrieben mit den Achseln.
Dieses kleine Märchen schien Richards zu besänftigen und mit der Tatsache zu versöhnen, dass ihn ein neugieriger alter Mann bei der Arbeit störte.
»Ja, wer kennt das nicht. Aber, wie gesagt, der Fall ist abgeschlossen, Mr.Winter. Ziemlich eindeutige Sache. Ein Schuss. Abschiedsbrief. Da gab es für uns nicht mehr viel zu tun, außer aufzuräumen und die Leiche wegzuschaffen. Nichts Mysteriöses daran.«
»Waren Sie selbst am Fundort?«
»Ja. War mein Fall. Ich musste nur noch einen Bericht schreiben und eine Akte
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