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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Spitznamen Holzfäller erworben; er war es gewöhnt, zu Festnahmen gerufen zu werden, bei denen das Hindernis einer verschlossenen Tür schnell zu überwinden war. Anschließend würde Walter Robinson das Verhaftungsteam in die Nummer dreizehn anführen.
    In einer perfekten Welt, dachte Espy Martinez, ist der Verdächtige schlaftrunken oder auf Droge und gerät angesichts des nächtlichen Lärms in eine Schockstarre. Vermutlich wäre er ebenso zahm wie passiv und würde sich ohne Widerstand ergeben.
    Sie saß im Fond des zivilen Polizeifahrzeugs und starrte auf das eintönige Schwarzgrau der heruntergekommenen Gegend. Sie war noch nie in einem Wohnblock wie den King Apartments gewesen, schon gar nicht nach Mitternacht. Die Straßenlaternen sorgten für ein paar dünne Schneisen in der Dunkelheit, als könnten sie mit ihrem spärlichen Licht den Verfall, der an allen Ecken und Enden des niedrigen, dreistöckigen Gebäudekomplexes nagte, verzögern. Trotz der fortgeschrittenen Stunde hörte sie laut vernehmlich die eine oder andere Obszönität und Kindergeschrei. Unmittelbar nach ihrer Ankunft glaubte sie, irgendwo hinter dem Lichtstreifen der Straßenlaternen einen vereinzelten Schuss zu hören, der wie ein böser Gedanke vorüberjagte. An einer hellbraunen Wand des Wohngebäudes konnte sie vage ein aufgesprühtes Graffito entziffern: HIER HERRSCHT 22 HAIE . Die Botschaft besagte vermutlich, dass eine Straßen-Gang mit diesem Namen auf der Twenty-second Avenue Schutzgelder erpresste und den Drogenhandel kontrollierte.
    In einer perfekten Welt, musste sie wieder denken.
    Und trotz der brütenden Hitze zitterte sie.
    Walter Robinson drehte sich genau in dem Moment um, als sie erwartungsvoll zu ihm aufsah. »Sind Sie sicher, dass Sie dabei sein wollen?«, fragte er.
    Sie nickte. »Das ist meine Pflicht.«
    »Ihre Pflicht ist es, diesen Leroy Jefferson hinter Schloss und Riegel zu bringen. Ihre Pflicht fängt morgen früh an, wenn wir gegen den Bastard wegen des Mordes an Sophie Anklage erheben, wenn Sie im smarten Nadelstreifenkostüm mit dieser großen alten Aktentasche in den Saal marschieren und ›Euer Ehren dies und Euer Ehren das und die Staatsanwaltschaft beantragt, dass keine Kaution gewährt wird …‹ und dergleichen sagen … Hier
müssen
Sie nicht dabei sein«, erklärte er.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich will aber.«
    Ein Lächeln huschte um Robinsons Mundwinkel, dann deutete er auf die King Apartments. »Espy, wieso sollte irgendjemand auf dieser gottverlassenen Welt freiwillig hierherkommen?«
    Er grinste sie an, und sie lächelte zurück.
    »Tja«, seufzte sie, »das frage ich mich auch.« Dann verflog ihr Lächeln, und sie fügte ruhig hinzu: »Ich mache nur nicht gerne halbe Sachen. Ich fange etwas an und führe es zu Ende, Schritt für Schritt. So bin ich eben.«
    »Na ja, wenn Sie drauf bestehen …«
    »Ja.«
    »… dann warten Sie hier, bis wir ihm die Handschellen angelegt haben. Anschließend kommen Sie rauf und sehen zu, wie ich ihn über seine Rechte belehre. Vielleicht können wir die üblichen Unterstellungen des Pflichtverteidigers von polizeilicher Brutalität vermeiden, wenn Sie bei seiner Verhaftung dabei sind.«
    Wieder nickte sie. Walter Robinson sah sie eindringlich an und fragte sich, was sie eigentlich beweisen wollte. Es ging jedenfalls nicht darum, ihn zu beeindrucken, dachte er. Das war ihr bereits gelungen. Doch er spürte, dass Espy Martinez im Stillen noch eine andere Agenda verfolgte, und er hatte das Gefühl, dass er darüber bald mehr erfahren würde. Als sie den Kopf ein wenig zur Seite drehte und den Blick über den offenen Innenhof der King Apartments schweifen ließ, betrachtete er sie weiter. Einen Moment ließ er die Augen auf ihrem Profil und ihrem Haar ruhen, das ihr in einer Welle über die Wange fiel, so dass sie es sich mit einer mädchenhaften Bewegung zurückstrich. Er riss sich los, drehte sich um und zog seine Pistole. Er überprüfte das Magazin der Neun-Millimeter und sah noch einmal nach, ob er ein zweites dabeihatte.
    »Dann wollen wir mal«, meinte er.
    »Wo ist es?«, fragte sie.
    Er betrachtete das Gebäude. »Die letzte Wohnung auf der linken Seite, in der Nähe der Treppe. Erster Stock.«
    Sie folgte seinem Blick. An beiden Enden des flachen, rechtwinkligen Baus befand sich je eine Außentreppe. Auf jedem der drei Geschosse führte ein offener Gang quer über die gesamte Fassade zu den einzelnen Wohnungen. Sie fand den Komplex außerordentlich

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