Der Täter / Psychothriller
Stark am Korb, aber im Vorfeld nichts zu bieten.«
»Inzwischen hat er da einiges zu bieten«, erwiderte Robinson, »tätlicher Angriff, Einbruch, unerlaubter Waffenbesitz, unerlaubter Drogenbesitz Ich meine, sein Strafregister füllt ein ganzes Buch. Der typische amerikanische Kleinkriminelle. Wahrscheinlich bewaffnet, nein, mit Sicherheit bewaffnet. Worauf warten wir? Schnappen wir uns den Kerl. Noch irgendwelche Fragen?«
Niemand meldete sich. Er hatte es auch nicht erwartet. Dieser Einsatz war für einen Polizisten Routine: Ein Mann, der seit Jahren gegen das Gesetz verstieß, hatte nun eine Grenze überschritten und einen Menschen getötet. Allenfalls konnte man bei dieser Verhaftung darüber staunen, dass der Verdächtige nicht schon früher gemordet hatte. Natürlich, dachte Robinson, sarkastisch, kenne ich sein Jugendstrafenregister nicht. Innerlich zuckte er mit den Achseln.
»Alle bereit? Los geht’s.«
Mit diesen Worten reichte er Lionel Anderson den Haftbefehl, und der Polizist begab sich unverzüglich ins Gebäude. Espy Martinez überkam ein mulmiges Gefühl. Sie griff in ihre Handtasche und schnappte sich ihre halbautomatische Pistole. Sie legte Munition ein, atmete langsam aus und wartete, die Waffe an die Seite gedrückt, dass irgendetwas passierte, damit sie nicht unnötig lange in der pechschwarzen Nacht herumstand, was sie aus tiefstem Herzen hasste.
Leroy Jefferson, der eigentlich nicht damit rechnete, alt zu werden, saß ruhig in Unterwäsche an einem verkratzten, fleckigen und wackeligen Holztisch in Nummer dreizehn und stellte sich vor, wie sich sein Leben verbessern würde, wenn er je einen ausreichenden Grundstock zusammenbekäme, um mit Drogen zu dealen, statt sie nur zu konsumieren. Es war ein stumpfsinniger Traum: Er stellte sich in neueren Kleidern und einem größeren Auto vor. Er hatte eine Vorliebe für die Farbe Rot und überlegte, ob sie besser zu seinem Anzug oder seinem Fahrzeug passte, bis er sich nach reiflicher Überlegung für ein Sowohl-als-auch entschied.
Er beugte sich vor und spielte mit der Glaspfeife auf dem Tisch. Leroy Jefferson hatte lange, knochige Hände. Athletische Hände: Die Finger waren raubtierartig gekrümmt; auf den Handrücken standen die Adern hervor, als würden sie von Sehnen, Muskeln und Kraft herausgedrückt. Ein Künstler hätte sie wahrscheinlich auf eine grobschlächtige, gewaltsame Art und Weise schön gefunden.
Er strich mit einem gerissenen Fingernagel über die Pfeife.
Seine Freundin schlief im Nebenzimmer; er hörte ein leises Schnarchen, fast Röcheln, als sie sich nackt in einem Knäuel schweißgetränkter Laken auf dem Bett umdrehte. Sie waren noch nicht lange zusammen, und er rechnete nicht damit, dass ihre Beziehung lange halten würde. Was sie miteinander verband, war eher ihre gemeinsame Liebe zur Droge als ihre Zuneigung füreinander. Wenn sie Sex hatten, befriedigten sie nur ein gegenseitiges Bedürfnis.
Unter seinem Finger fühlte sich die Glaspfeife von der Reibung heiß an, doch schließlich war die Hitze allgegenwärtig. Seine Freundin wechselte wieder geräuschvoll die Stellung, und er fragte sich, wie irgendjemand schlafen konnte, wenn die Temperatur in der Wohnung nach Mitternacht langsam, aber sicher stieg.
Wie viel Grad waren es gerade? Fünfundzwanzig? Achtundzwanzig? Oder über dreißig? Die Luft war zum Schneiden; es kam ihm fast so vor, als schmeckte sie von der feuchten Hitze bitter. Er hätte sich gern ein Bier aus dem Kühlschrank geholt, aber er wusste, dass er keins hatte. Nicht einmal Eiswürfel oder Limonade. Das Leitungswasser war brackig und lauwarm. Er dachte daran, sich unter die Dusche zu stellen, fand es jedoch zu mühselig, seine übereinandergeschlagenen Beine unter dem Tisch hervorzuholen und einen Schritt Richtung Bad zu machen. Auch seine Lethargie schob er auf die Hitze. Wütend starrte er auf das Wohnzimmerfenster hinter der Jalousie, das er hochgeschoben hatte, um das leiseste Lüftchen, das sich in Liberty City regte, in die Wohnung zu lassen.
Kalte Luft, dachte er, nichts wünschte er sich so sehnlich wie kalte Luft. Einfach nur ein bisschen Kühle wie ein leichtes, frisches Hemd.
Er fasste sich mit einer Hand an den Nacken und wischte sich ein wenig von dem Schweiß ab, der sich dort gesammelt hatte. Er glänzte in seiner Hand. Die Reichen in Miami, dachte er, schwitzen nur, wenn sie es wollen.
Bei dem Gedanken stieg ihm kalte Wut hoch.
Er starrte weiter unverwandt auf das
Weitere Kostenlose Bücher