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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Martinez hörte ihn. Er drehte sich zu ihr um. »Natürlich war er es nicht«, sagte er. »Gehen wir. Gleich.«
    Martinez nickte. Sie fühlte sich vollkommen ausgelaugt. Hätte sie nicht angesichts der letzten Worte des Tatverdächtigen dieses seltsame Gefühl, diese diffuse Beklemmung oder auch nur dieses Unbehagen beschlichen, wäre sie vielleicht auf der Stelle eingeschlafen.

[home]
13
    Der große Unbekannte
    E r betrachtete die Schatten an der weißgetünchten Wand des Krankenhausflurs; im Neonlicht, das aus der Schwesternstation fiel, huschten die verschwommenen Silhouetten der Passanten über die leere Fläche. Einmal hob er die eigene Hand, um zu sehen, ob er zu den grauen, gespenstischen Formen etwas beitragen konnte, doch der Einfallswinkel stimmte nicht.
    Walter Robinson wechselte die Stellung, um bequemer zu sitzen, doch vergeblich. Er warf einen Blick auf eine Uhr und stellte fest, dass die Nacht fast vorüber war; die Schatten würden bald im ersten Dämmerlicht verblassen.
    Er war erschöpft, doch die Wut sorgte für einen ausreichenden Adrenalinpegel und hielt ihn wach.
    Er versuchte, sich ganz auf den Mann zu konzentrieren, der im Aufwachraum lag, um ihm einfach alles anzukreiden, was in dieser Nacht schiefgelaufen war. Doch wenn er ehrlich war, teilte er die Rolle des Sündenbocks mit seiner eigenen Person. Walter Robinson ging die Ereignisse noch einmal der Reihe nach durch und versuchte, herauszufinden, von welchem Moment an das Verhängnis seinen Lauf genommen hatte, wann ihm selbst der Fehler unterlaufen war, der zu dem Schusswechsel geführt hatte. Sie hatten es wie nach dem Lehrbuch angefangen, die Planung war perfekt. Doch es frustrierte ihn zutiefst, dass ein Polizist bei einer zwar nicht ganz einfachen, aber doch recht routinemäßigen Festnahme angeschossen und schwer verwundet worden war. Die vorläufige Diagnose für den Holzfäller klang nicht gut: beträchtliche Zerstörung von Muskel- und Knochengewebe – eine Karriere, die sich in einem einzigen Moment in Luft aufgelöst hatte. Er hatte einige Minuten bei der Frau des Polizisten verbracht, doch seine abgedroschenen Entschuldigungen fanden kein Gehör. Er hatte den hohen Tieren der Polizei von Miami Beach Bericht erstattet, und sie hatten Presseerklärungen herausgegeben. Er hatte seine Zeit damit verschwendet, einem Dutzend Reporter, die mit ihren Kameraleuten angerückt waren, Rede und Antwort zu stehen, dann hatte er sich in den Flur fortgeschlichen, und dort saß er nun. Er wusste nicht, was Leroy Jefferson erwartete; in diesem Moment wünschte er sich, Espy Martinez hätte den Verdächtigen getötet. Das hätte zwar einigen lästigen Papierkram nach sich gezogen, wäre aber für alle Beteiligten die wahrscheinlich beste Lösung gewesen.
    Diesen blutrünstigen Gedanken hing er eine Weile nach. Ihm wurde bewusst, dass er trotz allem, was schiefgegangen war, eine gewisse Befriedigung hätte empfinden müssen. Immerhin hatte er den Fall aufgeklärt: Jefferson wurde des Mordes an Sophie Millstein angeklagt. In den Büros des Morddezernats Miami Beach hatten sie eine große Schiefertafel mit einer Liste der aktuellen, offenen Fälle. Der Mord an Sophie Millstein würde von dieser Tafel weggewischt werden. Er hatte seine Pflicht getan.
    Robinson flüsterte einen Kraftausdruck.
    Er lehnte den Kopf an die Wand, schloss für einen Moment die Augen und rechnete damit, dass sich hinter den geschlossenen Lidern das Tohuwabohu von den King Apartments noch einmal abspielen würde, sah aber stattdessen nur vor sich, wie er Espy Martinez am Ellbogen hielt und sie mit der steifen Förmlichkeit eines Höflings aus dem achtzehnten Jahrhundert langsam über den Bürgersteig zu ihrer Doppelhaushälfte geleitete. Auf der langen Fahrt aus der Stadt hatte sie im fliegenden Wechsel mal aufgeregt geplappert, wobei ihr auch der eine oder andere Kraftausdruck herausgerutscht war, dann wieder beharrlich geschwiegen. Eben noch hatte sie gesprudelt: »Heilige Scheiße, verdammt, ich kann’s nicht fassen, ich hab den Mistkerl getroffen, nicht wahr? Direkt in sein scheiß Bein, mein Gott. Ich meine, das ist so verflucht unwirklich, das Ganze. Der Wichser schießt daneben, und ich schieß zurück und hab ihn am Arsch. Ich hab ihn mal eben so am Arsch!«
    Und als er antwortete: »Stimmt genau, das war’s«, verstummte sie, und eine knisternde Stille füllte den Wagen aus, als würde der Innenraum vibrieren, ohne dass ein Ton zu hören war. Er suchte verzweifelt

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