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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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können.«
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    . Dreiundzwanzig
    Wieder eine Lobby.
    Aber eine völlig andere als bei SSD.
    Amelia Sachs hatte noch nie ein solches Durcheinander gesehen. Vielleicht früher als Streifenpolizistin, wenn sie zu einem häuslichen Streit zweier Junkies in Hell's Kitchen gerufen wurde. Aber sogar viele der Leute dort hatten einen Rest Würde besessen und sich wenigstens bemüht. Dieser Ort hier ließ sie schaudern. Die gemeinnützige Organisation Privacy Now, gelegen in einer alten Klavierfabrik im Bezirk Chelsea, war ein sicherer Kandidat für den ersten Preis in der Kategorie Schlampigkeit.
    Stapelweise Computerausdrucke, Bücher - viele davon Gesetzestexte und vergilbte Verwaltungsbestimmungen -, Zeitungen und Zeitschriften. Dann unzählige Kartons mit noch mehr von dem Zeug. Auch Telefonbücher. Behördenverzeichnisse.
    Und Staub. Eine Tonne Staub.
    Eine Empfangsdame in Jeans und einem schäbigen Pullover hämmerte wie wild auf einer alten Computertastatur herum und sprach gedämpft in das Mikrofon ihres Headsets. Gehetzt wirkende Leute in Jeans und T-Shirts oder Kordhosen und zerknitterten Flanellhemden kamen aus dem Korridor zum Vorschein, tauschten Akten aus oder holten sich Zettel mit Telefonnachrichten ab und verschwanden wieder.
    Die Wände waren mit billig gedruckten Schildern und Postern bedeckt.
    BUCHHÄNDLER!
    VERBRENNT DIE KASSENBONS EURER KUNDEN, BEVOR DIE REGIERUNG IHRE
    BÜCHER VERBRENNT!!!
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    Auf einem gewellten Stück Pappe stand das berühmte Zitat aus George Orwells Roman 1984 über eine totalitäre Gesellschaft:
    Der Große Bruder sieht dich.
    Und an prominenter Stelle der dreckigen Wand gegenüber von Sachs hing eine Liste:
    Gueril ataktiken im Krieg um die Privatsphäre
    • Gib niemals deine Sozialversicherungsnummer preis.
    • Gib niemals deine Telefonnummer preis.
    • Tausche vor jedem Einkauf deine Paybackkarte mit der einer vertrauenswürdigen Person.
    • Nimm niemals freiwillig an Umfragen teil.
    • Nutze jede mögliche Ausschlussklausel.
    • Fülle keine Produktregistrierkarten aus.
    • Fülle keine »Garantiekarten« aus. Zur Wahrnehmung einer Garantie sind sie nicht erforderlich. Sie dienen der Sammlung von Informationen!
    • Vergiss nicht - die gefährlichste Waffe der Nazis waren Informationen.
    • Verhalte dich stets so unauffällig wie möglich.
    Sachs ließ die Punkte noch auf sich wirken, als eine verschrammte Tür sich öffnete und ein kleiner Mann mit eindringlichem Blick und blasser Haut zu ihr kam, ihr die Hand gab und sie dann zurück in sein Büro führte, das sogar noch unaufgeräumter als die Lobby war.
    Calvin Geddes, der ehemalige Angestellte von SSD, arbeitete mittlerweile für diese Organisation zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte. »Ich bin zur dunklen Seite übergelaufen«, sagte er lächelnd. Außerdem hatte er die konservativen Kleidungsvorschriften von SSD über Bord geworfen und trug ein gelbes Hemd ohne Krawatte, dazu Jeans und Joggingschuhe.
    Das freundliche Lächeln schwand allerdings schnell, als Sachs ihm von den Morden erzählte.
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    »Ja«, flüsterte er mit nunmehr grimmiger Miene. »Ich wusste, dass so etwas passieren würde. Ich war mir hundertprozentig sicher.«
    Geddes erklärte, er habe eine technische Ausbildung genossen und sei zunächst als Programmierer für Sterlings erste Firma tätig gewesen, die Vorgängerin von SSD im Silicon Valley. Dann sei er mit nach New York gezogen und habe dank der rasanten Erfolgsgeschichte der Firma ein gutes Leben führen können.
    Doch die schöne Fassade bekam Risse.
    »Es gab Schwierigkeiten. Unsere Daten waren damals noch nicht verschlüsselt und führten zu einigen ernsten Fällen von Identitätsdiebstahl. Mehrere Leute begingen Selbstmord. Und ein paarmal meldeten Stalker sich bei uns als Kunden an - aber nur, um an Informationen aus innerCircle heranzukommen. Zwei der Frauen, auf die sie es abgesehen hatten, wurden überfallen, eine fast umgebracht. Dann benutzten Eltern unsere Daten bei Sorgerechtsstreitigkeiten, um ihre Expartner zu finden und die Kinder zu entführen. Es war schlimm. Ich kam mir vor wie der Kerl, der bei der Entwicklung der Atombombe geholfen und es später bedauert hat. Ich versuchte, schärfere Kontrollmechanismen durchzusetzen. Und das bedeutete, dass ich nicht an die sogenannte SSD-Vision geglaubt habe, jedenfalls laut meinem Boss.«
    »Sterling?«
    »Letztendlich ja. Aber nicht er hat mich gefeuert. Andrew macht sich nie selbst die Hände schmutzig. Alles

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