Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
keinen Unterschied zwischen den beabsichtigten Opfern, unschuldigen Zuschauern und der Polizei.
    Jede Bedrohung - jede Unannehmlichkeit - musste sofort und in vollem Umfang beseitigt werden. Und zum Teufel mit der Logik.
    Das Team der Spurensicherung hatte Halogenstrahler aufgestellt und den Friedhof in unwirkliches Licht getaucht. Sachs betrachtete das Opfer, das breitbeinig auf dem Rücken lag, weil die Füße im Todeskampf verzweifelt gestrampelt hatten. Von der Leiche ragte ein riesiges Komma aus Blut quer über den Asphaltweg in den Forest Hills Memorial Gardens und bis auf den Grasstreifen am Rand.

    Keiner der Beamten hatte einen Zeugen auftreiben können, und Miguel Abrera, der SSD-Hausmeister, konnte ebenfalls nichts beisteuern. Er war ziemlich mitgenommen, nicht nur, weil er ein potenzielles Ziel des Täters gewesen war, sondern auch wegen des Mordes an seinem Freund. Bei seinen häufigen Besuchen am Grab von Frau und Kind hatte er den Friedhofswärter kennengelernt. An jenem Abend war es ihm so vorgekommen, als wäre ihm jemand von der U-Bahn aus gefolgt. Er hatte sogar versucht, in diversen Schaufenstern das Spiegelbild eines eventuellen Verfolgers zu erkennen. Aber der Trick hatte nicht funktioniert - ihm war niemand aufgefallen -, und so war er auf den Friedhof gegangen.
    Sachs hatte ihren weißen Overall übergezogen und leitete zwei Beamte der Spurensicherung aus Queens dabei an, den Schauplatz durch Fotos und Videoaufnahmen zu dokumentieren. Dann untersuchte sie den Leichnam und fing an, das Gitternetz abzuschreiten. Dabei gab sie sich besondere Mühe. Dieser Tatort war 212
    wichtig. Der Mord war schnell und brutal geschehen - der Wärter hatte 522 eindeutig überrascht -, und es hatte einen Kampf gegeben. Das erhöhte die Chance, hier Spuren zu finden, die ihnen mehr über den Täter und seine Wohnung oder seinen Arbeitsplatz verraten würden.
    Sachs ging den Tatort erst in senkrechten, dann in waagerechten Bahnen Schritt für Schritt ab.
    Auf halbem Wege hielt sie abrupt inne.
    Ein Geräusch.
    Es klang wie Metall auf Metall. Lud jemand eine Pistole durch? Klappte er ein Messer auf?
    Sie schaute sich schnell um, sah aber nur den Friedhof in der Abenddämmerung.
    Amelia Sachs glaubte nicht an Gespenster und empfand Orte wie diesen normalerweise als friedlich, ja sogar tröstlich. Doch nun biss sie die Zähne zusammen, und ihre Hände in den Latexhandschuhen schwitzten.
    Sie hatte sich gerade wieder der Leiche zugewandt, als in der Nähe ein Licht aufblitzte und sie zusammenzucken ließ.
    Schien da eine Straßenlaterne durch die Büsche?
    Oder war das 522, der mit seinem Messer immer näher kam, außer sich vor Wut?
    Sie musste daran denken, dass er schon einmal versucht hatte, sie zu töten - indem er ihr in der Nähe von DeLeon Williams' Haus den Bundesagenten auf den Hals geschickt hatte. Dieser erste Versuch war gescheitert. Vielleicht war 522 entschlossen, die Sache nun zu einem Ende zu bringen.
    Sachs widmete sich weiter ihrer Aufgabe. Doch kurz bevor sie damit fertig war, erschauderte sie. Schon wieder eine Bewegung -diesmal jenseits der Lichter, aber immer noch auf dem Friedhofsgelände, das von Streifenbeamten abgesperrt worden war. Amelia blinzelte in das grelle Licht. Hatte ein Baum sich im Wind gewiegt? War das ein Tier gewesen?
    Sachs' Vater, der zeit seines Lebens als Polizist gearbeitet und seine Weisheiten stets großzügig mit ihr geteilt hatte, hatte einmal zu ihr gesagt: »Vergiss die Toten, Amie, die werden dir nichts tun. Achte lieber auf diejenigen, die dafür gesorgt haben, dass die anderen tot sind.«
    213
    Das passte zu Rhymes Mahnung: »Lass dir keine Einzelheit entgehen, aber pass auf dich auf.«
    Amelia Sachs glaubte nicht an einen sechsten Sinn. Zumindest nicht als eine übernatürliche Eigenschaft. Für sie war die reale Welt so erstaunlich und unsere Wahrnehmungen und Denkprozesse dermaßen komplex und leistungsfähig, dass wir gar keine übermenschlichen Fähigkeiten brauchten, um äußerst scharfsichtige Schlüsse zu ziehen.
    Sie hatte keinen Zweifel, dass dort jemand war.
    Sachs verließ den unmittelbaren Tatort und schnallte sich ihre Glock um. Dann griff sie einige Male nach der Waffe, um die Bewegung einzustudieren, nur für den Fall, dass sie schnell ziehen musste. Sie kehrte an die Arbeit zurück, sammelte die letzten Spuren ein und drehte sich dann sogleich in die Richtung, aus der sie zuvor die Bewegung registriert hatte.
    Die Scheinwerfer waren blendend hell,

Weitere Kostenlose Bücher