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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Es ist alles in Ordnung. Die Vorhersage stimmt weiterhin. Es gibt lediglich eine kurze Verzögerung. Sein Heimweg wird ihn immer noch durch den Park führen. Dieser letzte Besuch bei seiner Frau ist vielleicht sogar von Vorteil. Vergib mir, dass ich in deiner Abwesenheit vergewaltigt und gemordet habe, Liebling. Ich bleibe ihm in sicherem Abstand auf den Fersen. Meine bequemen Schuhe mit den Gummisohlen sind vollkommen lautlos.
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    Miguel 5465 hält direkt auf ein Doppelgrab zu. Dort bekreuzigt er sich und kniet sich hin, um zu beten. Dann lässt er die Blumen neben vier anderen Sträußen in unterschiedlichen Stadien des Verwelkens liegen. Wieso sind die Abstecher zum Friedhof nirgendwo aufgetaucht?
    Natürlich - er zahlt die Blumen bar.
    Nun steht er auf und geht weg.
    Ich gehe hinterher, atme tief durch.
    Als plötzlich: »Verzeihung, Sir.«
    Ich erstarre. Dann drehe ich mich langsam zu dem Friedhofswärter um, der mich angesprochen hat. Auf dem kurzen feuchten Gras konnte er sich mir ungehört nähern.
    Und sein Blick wandert von meinem Gesicht zu meiner rechten Hand, die ich in die Tasche stecke. Ich weiß nicht, ob er den beigefarbenen Stoffhandschuh bemerkt hat oder nicht.
    »Hallo«, sage ich.
    »Ich habe Sie da im Gebüsch gesehen.« Wie soll ich darauf reagieren? »Im Gebüsch?«
    Seine Augen verraten mir, dass er gut auf seine Toten achtgibt.
    »Darf ich fragen, wen Sie besuchen möchten?«
    Sein Name steht vorn auf seinem Overall, aber ich kann ihn nicht deutlich erkennen.
    Stony? Was soll das für ein Name sein? Ich werde wütend. Das ist alles die Schuld dieser Leute, die hinter mir her sind! Die haben mich unvorsichtig gemacht. Ich bin ganz durcheinander wegen all der Verunreinigungen! Ich hasse diese Leute, hasse diese Leute, hasse. .
    Ich ringe mir ein liebenswürdiges Lächeln ab. »Ich bin ein Freund von Miguel.«
    »Ah. Haben Sie Carmela und Juan gekannt?«
    »Ja, ganz recht.«
    Stony, oder vielleicht Stanley, fragt sich, warum ich noch hier bin, obwohl Miguel 5465
    gegangen ist. Er verändert seine Körperhaltung. Ja, da steht Stony. . Seine Hand nähert sich dem Walkie-Talkie an seinem Gürtel. An die Namen auf den Grabsteinen kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich frage mich, ob Miguels Frau
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    nicht in Wirklichkeit Rosa und der Junge Jose geheißen hat und ich gerade in eine Falle getappt bin.
    Die Gewitztheit anderer Leute ist ja so ermüdend.
    Stony schaut zu seinem Funkgerät, und als er aufblickt, steckt das Messer bereits halb in seiner Brust. Ein, zwei, drei Stöße sorgfältig am Knochen vorbei - man kann sich einen Finger verstauchen, wenn man nicht aufpasst, wie ich am eigenen Leib erfahren habe. Das ist sehr schmerzhaft.
    Der erschrockene Wärter ist allerdings zäher als gedacht. Er springt vor und packt mich am Kragen, während seine andere Hand auf der Wunde liegt. Wir kämpfen, ringen und schieben und zerren und führen einen makabren Tanz zwischen den Grä-bern auf, bis er mich loslässt und rücklings auf den Gehweg fällt, einen gewundenen Asphaltstreifen, der zum Friedhofsbüro führt. Stonys Hand findet das Walkie-Talkie in derselben Sekunde, in der meine Klinge seinen Hals findet.
    Zack, zack, zwei leise Schnitte öffnen die Arterie oder Vene oder beide und lassen einen überraschend starken Blutstrahl emporschießen.
    Ich weiche aus.
    »Nein, nein, warum? Warum?« Er greift nach der Wunde und macht dadurch freundlicherweise den Weg auf die andere Seite des Halses frei. Zack, zack, ich kann gar nicht aufhören. Es wäre nicht nötig, aber ich bin wütend, richtig wütend - auf diese Leute, weil sie mich aus dem Konzept gebracht haben. Sie haben mich gezwungen, Miguel 5465 als Ablenkungsmanöver einzusetzen. Und nun haben diese Leute mich abgelenkt. Ich bin nachlässig geworden.
    Weitere Schnitte. . Dann weiche ich zurück. Nach dreißig Sekunden und etwas unheimlichem Zappeln ist der Mann bewusstlos. Nach sechzig Sekunden wird Leben zu Tod.
    Ich kann nur vornübergebeugt dastehen, wie betäubt von diesem Albtraum, keuchend von der Anstrengung. Ich fühle mich wie ein armseliges Tier.
    Die Polizisten - diese Leute - werden natürlich wissen, dass ich das gewesen bin. Die Daten sind alle da. Der Todesfall hat sich am Familiengrab eines SSD-Angestellten zugetragen, und nach dem
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    Ringkampf mit Stony gibt es hier sicherlich irgendwelche Spuren, die die cleveren Ermittler mit den anderen Tatorten in Verbindung bringen können. Mir bleibt keine Zeit, um

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