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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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aber sie wusste genau, dass dort an der Rückseite des Krematoriums ein Mann stand und sie vom Schatten des Gebäudes aus beobachtete. Vielleicht bloß ein Arbeiter, aber sie wollte kein Risiko eingehen. Mit der Hand an der Waffe lief sie sechs Meter vor. Ihr weißer Overall gab im schwindenden Tageslicht ein gutes Ziel ab, doch Sachs ließ es darauf ankommen.
    Sie zog die Glock und stieß durch die Büsche zu der Gestalt vor. Der Laufschritt ließ ihre arthritischen Beine schmerzen. Dann blieb Sachs stehen und verzog das Gesicht.
    Die Laderampe des Krematoriums, wo sie den Eindringling gesehen hatte, lag nun vor ihr. Verärgert schüttelte Sachs den Kopf. Der Unbekannte, dessen Silhouette sich vor einer Laterne außerhalb des Friedhofs abzeichnete, war ein uniformierter Cop; Amelia sah den Umriss seiner Mütze und erkannte die vornübergebeugte, gelangweilte Körperhaltung eines Mannes, der Wache schieben musste. »Officer?«, rief sie. »Haben Sie hier jemanden gesehen?«
    »Nein, Detective Sachs«, antwortete er. »Hier war keiner.«
    »Danke.«
    Sie packte ihr Material zusammen und gab den Tatort für den diensthabenden Gerichtsmediziner frei. Dann ging sie zu ihrem Wagen, öffnete den Kofferraum und 213
    streifte den weißen Overall ab. Dabei plauderte sie mit den anderen Beamten aus der Zentrale der Spurensicherung in Queens, die ebenfalls ihre Overalls ausgezogen hatten. Einer von ihnen schien stirnrunzelnd nach etwas zu suchen. »Hast du was verloren?«, fragte Sachs.
    Der Mann nickte. »Ja. Vorhin hat sie noch hier gelegen. Meine Dienstmütze.« Sachs erstarrte. »Was?« »Meine Mütze ist weg.«
    Scheiße. Sie warf den Overall in den Kofferraum und lief zu dem Sergeant des zuständigen Reviers, der den Einsatz leitete. »Haben Sie jemanden bei der Laderampe postiert?«, fragte sie keuchend.

    »Dahinten? Nein. Das war nicht nötig. Wir hatten alles weiträumig abgesperrt und. .«
    Gottverdammt.
    Sie machte kehrt, zog ihre Waffe und rannte zu der Laderampe. »Er war hier!«, rief sie den nahen Beamten zu. »Beim Krematorium. Schnell!«
    An dem alten roten Backsteingebäude blieb sie stehen. Das Tor, das zur Straße führte, stand offen. Eine flüchtige Durchsuchung der unmittelbaren Umgebung ergab keinen Hinweis auf 522. Amelia ging weiter auf die Straße und schaute schnell nach links und rechts. Verkehr und neugierige Zuschauer - Dutzende. Er war weg.
    Sachs kehrte zu der Laderampe zurück und war nicht überrascht, die Uniformmütze dort vorzufinden. Sie lag neben einem Schild: Särge hier abladen. Amelia hob die Mütze auf, steckte sie in eine Beweismitteltüte und gesellte sich wieder zu ihren Kollegen.
    Dann schickten sie und der Sergeant mehrere Beamte aus, die in Erfahrung bringen sollten, ob jemand den Täter gesehen hatte. Amelia ging zu ihrem Wagen. Mittlerweile hatte 522 sich natürlich längst aus dem Staub gemacht, aber sie konnte ihr starkes Unbehagen einfach nicht abschütteln. Das lag hauptsächlich daran, dass der Täter nicht zu fliehen versucht hatte, als er sie auf das Krematorium zukommen sah, sondern seelenruhig stehen geblieben war.
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    Doch am meisten ließ sie die Erinnerung an seinen beiläufigen Tonfall erschaudern -
    und dass er sie mit Namen angesprochen hatte.
    »Sind sie einverstanden?«, fragte Rhyme ungeduldig, als Lon Sel itto von seiner Mission aus Downtown zurückkehrte. Der Lieutenant hatte mit Captain Malloy und dem stellvertretenden Bürgermeister Ron Scott über den von Rhyme so getauften
    »Expertenplan« gesprochen.
    »Sie sind nicht glücklich darüber. Es ist teuer, und sie. .«
    »Schwachsinn. Hol mir jemanden ans Telefon.«
    »Moment, Moment. Sie werden mitziehen. Sie treffen gerade die Vorbereitungen. Ich sage bloß, dass sie deswegen murren.«
    »Du hättest mir gleich sagen müssen, dass sie zugestimmt haben. Ob sie murren, ist mir egal.«
    »Joe Malloy ruft mich dann an und gibt die Einzelheiten durch.«
    Gegen einundzwanzig Uhr dreißig ging die Tür auf. Amelia Sachs kam herein und brachte die Spuren, die sie am Schauplatz des jüngsten Mordes gesichert hatte.
    »Er war da«, sagte sie.
    Rhyme verstand nicht, was sie meinte.
    »Fünf Zweiundzwanzig. Auf dem Friedhof. Er hat uns beobachtet.«
    »Allen Ernstes?«, fragte Sellitto.
    »Als es mir klar wurde, war er verschwunden.« Sie hielt eine Uniformmütze hoch und erklärte, wie er sich damit getarnt hatte.
    »Warum, zum Teufel, sollte er das tun?«
    »Um Informationen zu sammeln«, sagte Rhyme leise.

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