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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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ist weg. Ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Die Puppe nimmt sie nicht mit. Das Jugendamt schickt uns den vierzehnjährigen Jason, der bei uns wohnen soll. Er kommt jede Nacht in mein Zimmer. Er will mein Bett (denn das ist trocken und seines nicht).
    Ich schlafe in seinem nassen Bett. Einen Monat lang, jede Nacht. Ich beschwere mich bei Vater.
    Er sagt mir, ich sol e die Klappe halten. Sie brauchten das Geld, und es gebe eine Zulage für SG-Kinder wie Jason und.. Er redet nicht weiter. Wollte er sagen und mich? Ich weiß nicht, was SG bedeutet. Noch nicht.
    Januar, zwölf Jahre alt. Blinkende rote Lichter. Mutter schluchzt, die anderen Pflegekinder schluchzen. Die Verbrennung an Vaters Arm sei schmerzhaft, sagt der Feuerwehrmann, aber zum Glück habe das Feuerzeugbenzin auf der Matratze sich nicht schnell entzündet. Wäre das echtes Benzin gewesen, wäre er tot. Als sie Jason wegbringen, mit dunklen Augen unter dunklen Brauen, schreit er, er habe keine Ahnung, wie das Feuerzeugbenzin und die Streichhölzer in seine Schultasche gekommen seien. Er habe das nicht getan, er sei es nicht gewesen!
    Und er habe in seinem Klassenzimmer auch keine Fotos von Leuten aufgehängt, die bei lebendi-gem Leibe verbrannt seien.
    Vater schreit Mutter an: »Sieh nur, was du angerichtet hast!«
    Sie schreit zurück: »Du wolltest ja unbedingt die Zulage!«
    Die SG-Zulage.
    Was für »seelisch gestört« steht, wie ich inzwischen weiß.
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    Erinnerungen, Erinnerungen.. Ach, manche Sammlungen würde ich am liebsten weggeben oder auf den Müll werfen, wenn ich nur könnte.
    Ich lächle meiner stummen Familie zu, den Prescotts. Dann widme ich mich wieder dem aktuellen Problem - der Polizei.
    Ich bin jetzt ruhiger und nicht mehr so kribbelig. Und ich bin zuversichtlich, dass meine Verfolger - diese Leute - bald ebenso tot und begraben sein werden wie mein verlogener Vater, wie der panische Jason Stringfellow, der von den Beamten abgeführt wurde, und wie die Sechzehner, die den Höhepunkt einer Transaktion mit ihren Schreien versüßt haben. Dann kann ich bis ans Ende meiner Tage mit meiner zweidimensionalen Familie und meinen Schätzen hier in meinem Refugium glücklich sein.
    Meine Truppen, die Daten, sind bereit, in die Schlacht zu ziehen. Ich bin wie Hitler in seinem Berliner Bunker, der dem nahenden Feind die Waffen-SS auf den Hals geschickt hat. Seine Soldaten sind gestorben, meine sind unbesiegbar.
    Ich bemerke, dass es Zeit für die Spätnachrichten ist. Mal sehen, was diese Leute über den Todesfall auf dem Friedhof wissen und was nicht. Ich schalte den Fernseher ein.
    Man überträgt live vom Rathaus. Der stellvertretende Bürgermeister Ron Scott, ein vornehm aussehender Mann, verkündet soeben, die Polizei habe eine Sonderkommission gebildet. Untersucht werden sollen ein kürzlich begangener Mord samt Vergewaltigung sowie ein weiterer Mord, der heute Abend auf einem Friedhof in Queens verübt wurde und mit dem früheren Verbrechen in Verbindung zu stehen scheine.
    Dann stellt Scott einen NYPD-Beamten namens Joseph Malloy vor, der »nun auf die Einzelheiten eingehen wird«.
    Aber das tut er nicht, nicht wirklich. Er zeigt ein Phantombild des Täters vor, das mir auch nicht ähnlicher sieht als ungefähr 200000 anderen Männern im Stadtgebiet.
    Ein Weißer, zumindest aber hellhäutig? Oh, bitte.
    Er rät der Bevölkerung zur Vorsicht. »Wir glauben, dass der Täter sich unter Anwendung von Methoden des Identitätsdiebstahls seinen Opfern genähert hat. Um sie in Sicherheit zu wiegen.«
    Er fährt fort, man solle vor Unbekannten auf der Hut sein, die 232
    Kenntnisse über das eigene Kaufverhalten besäßen, über Bankkonten, Urlaubspläne und Verkehrsdelikte. »Auch über Kleinigkeiten, denen Sie normalerweise keine Beachtung schenken würden.«
    Die Stadt habe sogar einen Experten der Carnegie Mellon University einfliegen lassen.
    Dr. Carlton Soames, ein Fachmann für Informationsmanagement und -Sicherheit, werde den Ermittlern die nächsten paar Tage zur Seite stehen und sie zum Thema Identitätsdiebstahl beraten, was man für die erfolgversprechendste Möglichkeit halte, den Täter aufzuspüren.
    Soames wirkt mit seinem widerspenstigen Haar wie ein typischer Kleinstadtjunge aus dem Mittelwesten, der etwas klüger war als all die anderen. Ein unbeholfenes Grinsen.
    Der Anzug ein wenig verrutscht und die Brillengläser ein wenig verschmiert, wie ihr ungleichmäßiges Funkeln mir verrät. Und wie abgenutzt dieser Ehering wohl

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