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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher
Autoren: Jeffery Deaver
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heraus.«
    »Das würde ihn zugrunde richten«, sagte Rhyme.
    »Nicht so sehr wie eine lebenslange Freiheitsstrafe.«
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    Rhyme verabschiedete sich frostig und unterbrach die Verbindung. Dann starrte er wieder die Tafel an. Ihm fiel etwas anderes ein.
    »Was ist denn, Rhyme?«, fragte Sachs, die bemerkt hatte, dass sein Blick sich nach oben richtete. »Ob er das wohl schon mal gemacht hat?« »Wie meinst du das?«
    »Falls sein Ziel - sein Motiv - der Diebstahl des Gemäldes war, hat er damit nicht bis ans Lebensende ausgesorgt. Nicht wie bei einem Renoir, den man für zehn Millionen weiterverkauft und dann für immer von der Bildfläche verschwindet. Die ganze Sache riecht nach einer Art Geschäftsmasche. Der Täter hat eine schlaue Möglichkeit ersonnen, ungestraft ein Verbrechen zu begehen. Und das wird er weiterhin tun, bis ihn jemand aufhält.«
    »Ja, da ist was dran. Wir sollten uns nach weiteren Gemäldediebstählen umschauen.«
    »Nein. Wieso sollte er sich auf Gemälde beschränken? Es könnte alles Mögliche sein.
    Aber es gibt eine Gemeinsamkeit.«
    Sachs runzelte die Stirn. Dann wusste sie, was er meinte. »Mord.«
    »Genau. Da der Täter einen Sündenbock braucht, muss er die Opfer umbringen - weil sie ihn ansonsten identifizieren könnten. Ruf jemanden aus dem Morddezernat an. Zu Hause, falls nötig. Wir suchen nach folgendem Szenario: ein zugrunde liegendes Verbrechen - womöglich ein Diebstahl -, ein Mordopfer und starke Indizienbeweise.«
    »Plus eventuell eine absichtlich gelegte DNS-Spur.«
    »Gut.« Die Aussicht, dass sie auf eine größere Sache gestoßen sein könnten, elektrisierte ihn. »Und falls Mr. X sich an sein Schema hält, wird es außerdem einen anonymen Zeugen geben, der die Notrufzentrale verständigt und ein paar spezifische Angaben zur Person des vermeintlichen Täters gemacht hat.«
    Sachs setzte sich an einen Schreibtisch in der Ecke des Labors und wählte eine Nummer.
    Rhyme lehnte den Kopf zurück und beobachtete seine Partnerin beim Telefonieren.
    Ihm fiel getrocknetes Blut im Nagelbett ihres Daumens auf. Über ihrem Ohr, halb verdeckt durch das glatte
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    rote Haar, war eine Schramme sichtbar. Sachs machte das häufig; sie kratzte sich die Kopfhaut blutig oder riss sich die Nagelhäute auf, fügte sich kleine Verletzungen zu -
    es war eine zwanghafte Angewohnheit, die erkennen ließ, wie angespannt sie war.
    Nun nickte sie und notierte sich etwas mit konzentriertem Blick. Rhymes Herzschlag -
    obwohl der Kriminalist es nicht direkt fühlen konnte - beschleunigte sich. Sachs hatte etwas Wichtiges in Erfahrung gebracht. Ihr Kugelschreiber gab den Geist auf. Sie ließ ihn fallen und zückte sofort einen neuen, genauso schnell, als würde sie bei einem Schießwettbewerb ihre Waffe ziehen.
    Nach zehn Minuten legte sie auf.
    »He, Rhyme, das musst du dir anhören.« Sie setzte sich auf einen Korbsessel neben ihn. »Ich habe mit Flintlock gesprochen.« »Ah, eine gute Wahl.«
    Schon als Rhyme in den Polizeidienst eingetreten war, hatte Joseph Flintick, dessen Spitzname, ob nun absichtlich oder nicht, an eine historische Feuerwaffe denken ließ, als Detective bei der Mordkommission gearbeitet. Der zähe alte Knabe wusste über so gut wie jedes Tötungsdelikt Bescheid, das während der letzten Jahrzehnte in New York City begangen worden war - und oft auch über die Morde aus dem Umland. In einem Alter, in dem Flintlock sonntags eigentlich zu Besuch bei seinen Enkeln sein sollte, saß er stattdessen im Büro und arbeitete. Rhyme war nicht überrascht.
    »Ich habe ihm alles erklärt, und ihm sind prompt zwei Fälle in den Sinn gekommen, die zu unserem Profil passen könnten. Das eine war der Diebstahl einer Sammlung seltener Münzen im Wert von ungefähr fünfzigtausend Dollar. Das andere war eine Vergewaltigung.«
    »Eine Vergewaltigung?« Das erweiterte die Angelegenheit um einen tiefer gehenden und weitaus beunruhigenderen Faktor.
    »Ja. In beiden Fällen wurde die Tat telefonisch von einem anonymen Zeugen gemeldet, der darüber hinaus einige Informationen liefern konnte, die wesentlich zur Identifizierung des Täters beigetragen haben - so wie in unserem Fall der Hinweis auf den Wagen deines Cousins.«
    »Die Anrufer waren natürlich Männer.«
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    »Ja. Und obwohl die Stadt eine Belohnung ausgesetzt hat, hat keiner der beiden sich später noch einmal gemeldet.« »Was für Beweise gab es?«
    »Daran konnte Flintlock sich nicht mehr so gut erinnern. Aber er wusste noch, dass die
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