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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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übergeben.
    Es klingt merkwürdig, vor allem an diesem schönen Tag und nach meinem Erlebnis mit Myra 9834, aber ich vermisse das Büro.
    Zunächst mal, ich gehe gern zur Arbeit, schon immer. Und mir gefällt die Atmosphäre, das kameradschaftliche Verhältnis zu den Sechzehnern um mich herum, fast wie in einer Familie.
    Hinzu kommt das Gefühl, produktiv zu sein. Am hektischen New Yorker Geschäftsleben teilzuhaben. (»Ganz vorn dabei am Puls der Zeit«, so was in der Art hört man oft, und das hasse ich nun wirklich, diese affektierten Sprüche, einer hirnverbrannter als der andere. Nein, die großen Führer - Roosevelt, Truman, Cäsar, Hitler - hatten es nicht nötig, sich in einen Mantel aus hohlen Phrasen zu hüllen.) Am wichtigsten ist sicherlich, wie sehr mir mein Job bei meinem Hobby hilft. Nein, es ist mehr als das. Mein Job ist dafür von entscheidender Bedeutung.
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    Ich arbeite unter ziemlich guten Bedingungen. Meistens kann ich kommen und gehen, wie es mir beliebt. Mit etwas Organisationstalent kann ich auch werktags gelegentlich Zeit freischaufeln, um meiner Leidenschaft zu frönen. Und in Anbetracht der Tatsache, wen ich in der Öffentlichkeit darstelle - meine professionelle Maske, könnte man sagen
    -, ist es höchst unwahrscheinlich, dass jemand den Verdacht hegen würde, ich sei insgeheim eine ganz andere Person. Gelinde ausgedrückt.
    Oft arbeite ich auch am Wochenende, und das gehört zu meinen Lieblingszeiten -
    natürlich sofern ich nicht gerade damit beschäftigt bin, eine Transaktion mit einem hübschen Mädchen wie Myra 9834 zu vollziehen oder mir etwas Neues zu besorgen: ein Gemälde oder Comichefte oder Münzen oder ein seltenes Stück Porzellan. Auch wenn sich an einem Feiertag, Samstag oder Sonntag nur wenige andere Sechzehner im Büro aufhalten mögen, sind die Flure doch ständig vom weißen Rauschen jener Räder erfüllt, die unsere Gesel schaft langsam voranbringen - in eine prächtige neue Welt.
    Ah, ein Andenkenladen. Ich bleibe stehen, um mir das Schaufenster anzusehen. Ein paar der Bilder, Souvenirteller, -tassen und -poster gefallen mir. Leider werde ich nicht hierher zurückkehren und etwas kaufen können, weil das Geschäft zu nahe am Haus von DeLeon 6832 liegt. Die Gefahr, dass jemand eine Verbindung zwischen mir und dem »Vergewaltiger« herstellen könnte, ist zwar äußerst gering, aber... weshalb es darauf ankommen lassen? (Ich kaufe nur in richtigen Läden ein oder lese etwas von der Straße auf. Ebay ist spaßig mit anzusehen, aber etwas online kaufen? Da müsste man ja verrückt sein.) Vorläufig stellt Bargeld noch ein probates Zahlungsmittel dar.
    Aber bald wird man es markieren, so wie alles andere. Banknoten werden mit einem winzigen Transponderchip versehen. In einigen Ländern ist das schon üblich. Die Bank wird wissen, welchen Zwanzigdollarschein man aus welchem Geldautomaten oder an welchem Schalter erhalten hat. Und sie wird erfahren, ob man damit Kokain gekauft hat, einen BH für die Geliebte oder die Dienste eines Auftragskillers.
    Manchmal denke ich, wir sollten zu Gold zurückkehren.
    Anonym und nicht zurückverfolgbar.
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    Ach, der arme DeLeon 6832. Von seinem Führerscheinfoto, auf dem er gütig in die Behördenkamera schaut, weiß ich, wie er aussieht. Ich kann mir seine ungläubige Miene vorstellen, wenn die Polizei an die Tür klopft und ihm den Haftbefehl wegen Vergewaltigung und Mordes präsentiert. Und ich sehe den entsetzten Blick vor mir, den er seiner Freundin, Janeece 9810, und deren zehnjährigem Sohn zuwerfen wird, falls die beiden gerade zu Hause sind. Ich frage mich, ob er eine Heulsuse ist.
    Noch drei Blocks. Und..
    Ah, Moment. . Hier stimmt was nicht.
    Auf der von Bäumen gesäumten Nebenstraße parken zwei neue Ford Crown Victorias.
    Statistisch betrachtet ist es unwahrscheinlich, in einer solchen Gegend auf diese Art von Fahrzeug zu treffen, noch dazu in so tadellosem Zustand. Zwei identische Exemplare sind noch viel unwahrscheinlicher. Außerdem stehen sie unmittelbar hintereinander, ohne ein Blatt oder Blütenstaub darauf, wie bei all den anderen Autos.
    Folglich wurden sie erst vor Kurzem hier abgestellt.
    Und ja, ein beiläufiger Blick ins Innere, wie von einem neugierigen Passanten, offenbart, dass es sich um Polizeiwagen handelt.
    Das ist kein alltäglicher Einsatz wegen eines Ehekrachs oder Einbruchs. Ja, laut Statistik kommen derartige Vergehen in diesem Teil von Brooklyn ziemlich häufig vor, aber - wie die Daten zeigen -

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