Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
gehören, sondern Millionen von anderen Leuten, und größtenteils frei zur Verfügung stehen - Informationen über die Person selbst. Sterling fing an, eine Datenbank zu erstellen, die potenzielle Kunden einer Reihe von Dienstleistungs- und Produktionsbranchen umfasste; die demografischen Gegebenheiten ihrer Wohnviertel, die Einkommenshöhe, den Fami-lienstand, die guten oder schlechten Neuigkeiten über ihre finanzielle, juristische und steuerliche Situation und so viele weitere Angaben - persönlich und beruflich -, wie er nur kaufen, stehlen oder anderweitig auftreiben konnte. »Falls es etwas zu erfahren gibt, will ich es wissen«, soll er gesagt haben.
    Die von ihm geschriebene Software, eine frühe Version des Datenbank-Management-Systems Watchtower, war damals revolutionär und weitaus fortschrittlicher als das berühmte SQL - was für »Structured Query Language« stand und »Sequel« ausgesprochen wurde, wie Sachs gelernt hatte. Watchtower stellte innerhalb von Minuten fest, bei welchen Kunden sich ein Anruf als lohnend erweisen und womit man sie ködern konnte - und wer die ganze Mühe nicht wert war (aber wessen Namen man an andere Interessenten für deren Marketingprogramme verkaufen könnte).
    Die Firma wuchs wie ein Ungeheuer in einem Science-Fiction-Film. Sterling änderte den Namen zu SSD, verlegte den Sitz nach Manhattan und fing an, kleinere Betriebe der Informationsbranche zu kaufen, um sein Imperium zu vergrößern. Obwohl SSD
    bei Datenschutzorganisationen überaus unbeliebt war, hatte es noch keinen einzigen Skandal ä la Enron gegeben. Die Angestellten mussten sich ihre Gehälter verdienen -
    niemand bekam obszön hohe Wall-Street-Prämien -, aber wenn es der Firma gut ging, dann auch ihnen. SSD bot den Mitarbeitern Fortbildungsprogramme, günstige Immobilienkredite, Praktika für den Nachwuchs und ein Jahr Mutter-beziehungsweise Vaterschaftsurlaub. Das Unternehmen war bekannt für sein familiäres Betriebsklima, und Sterling stellte bevorzugt auch Ehepartner sowie Eltern und deren Kinder ein. Zur Förderung von Motivation und Teamgeist 126
    spendierte er jeden Monat entsprechende Veranstaltungen in luxuriöser Umgebung.
    Was sein Privatleben anging, hielt der Firmenchef sich sehr bedeckt, wenngleich Sachs herausgefunden hatte, dass er weder trank noch rauchte und dass niemand ihn je hatte fluchen hören. Er lebte maßvoll, zahlte sich ein überraschend kleines Gehalt, und sein Vermögen bestand in erster Linie aus SSD-Anteilen. Den Festen der New Yorker High Society blieb er fern. Keine schnellen Autos, keine Privatjets. Ungeachtet seines Respekts vor den familiären Belangen der SSD-Angestellten war Sterling zweimal geschieden und derzeit unverheiratet. Einige Berichte besagten, er sei in jungen Jahren mehrmals Vater geworden, aber die Angaben waren widersprüchlich. Er besaß mehrere Wohnsitze, hatte ihre genaue Lage aber aus den öffentlichen Unterlagen streichen lassen. Andrew Sterling wusste um die Macht der Daten. Vielleicht konnte er deswegen auch ihre Gefahren richtig einschätzen.
    Sterling, Sachs und Pulaski erreichten nun das Ende eines langen Korridors und betraten ein Vorzimmer. Auf den Schreibtischen zweier Assistenten türmten sich Papiere, Schnellhefter und Ausdrucke in tadellos geordneten Stapeln. Gegenwärtig war nur einer der Mitarbeiter anwesend, ein junger, gut aussehender Mann in einem konservativen Anzug. Auf seinem Namensschild stand Martin Coyle. Sein Arbeitsbereich war der ordentlichste - sogar die vielen Bücher hinter ihm standen absteigend nach Größe aufgereiht, stellte Sachs belustigt fest.
    »Andrew.« Er nickte seinem Boss grüßend zu und übersah geflissentlich die beiden ihm unbekannten Beamten in dessen Begleitung. »Ihre Telefonnachrichten sind auf Ihrem Computer.«
    »Danke.« Sterling schaute zu dem anderen Tisch. »Sieht Jeremy sich das Restaurant für die Presseparty an?«
    »Das hat er vorhin schon erledigt. Er bringt ein paar Unterlagen hinüber in die Kanzlei.
    Wegen dieser anderen Sache.«
    Sachs staunte, dass Sterling gleich zwei persönliche Assistenten beschäftigte - offenbar je einen für interne und externe Belange. Beim NYPD mussten die Detectives sich jede Hilfskraft teilen, sofern es überhaupt Hilfskräfte gab.
    Sie gingen weiter in Sterlings Büro, das nicht viel größer als alle 126
    anderen war, die Amelia in dieser Firma gesehen hatte. Und die Wände waren ohne jede Dekoration, abgesehen vom SSD-Logo. Dieses mochte zwar ein

Weitere Kostenlose Bücher