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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Stofftiere (wenn deine Mutter und dein Vater auf der Flucht vor dem FBI sind, kommen in deiner Kindheit kaum Spielzeuge vor), aber Pam besaß mehrere Hundert Bücher und CDs. Dank Thom gab es hier stets ausreichend saubere Sportkleidung, T-Shirts und Socken. Ein Satel itenradio und einen CD-Player. Außerdem ihre Joggingschuhe; Pam liebte es, den zweieinhalb Kilometer langen Weg rund um das Wasserreservoir im Central Park zu laufen. Es war mehr als nur Spaß für sie; das Laufen war ihr ein tiefes Bedürfnis.
    Das Mädchen saß nun auf dem Bett, hatte Wattebäusche zwischen den Zehen und lackierte sich sorgfältig mit goldener Farbe die Nägel. Ihre Mutter hatte ihr das seinerzeit verboten, ebenso wie Make-up (»aus Respekt vor Christus«, wo auch immer da ein Zusammenhang bestehen sollte). Sobald Pam dem rechtsgerichteten Untergrund entflohen war, hatte sie sich einige kleine, tröstliche Eigenarten zugelegt, darunter die lackierten Nägel, rötlich getönte Haarsträhnen und die drei Ohrlöcher.

    Sachs war erleichtert, dass das Mädchen nicht über die Stränge schlug; falls nämlich jemals jemand Anlass dazu gehabt hätte, dann Pamela Willoughby.
    Amelia saß auf einem Sessel und hatte die ebenfalls nackten Füße hochgelegt. Durch das offene Fenster wehte eine Brise herein und trug vom Central Park eine eigenwillige Mischung aus Frühlingsdüften mit sich: Mulch, Erde, taufeuchtes Laub, Autoabgase.
    Sachs nippte an ihrem Kakao. »Autsch. Erst pusten.«
    Pam folgte dem Ratschlag und trank einen Schluck. »Der ist gut. Ja, und heiß.« Sie widmete sich wieder ihren Nägeln. Im Gegensatz zu ihrer vorherigen Begegnung mit Sachs an jenem Tag wirkte sie nicht mehr fröhlich, sondern beunruhigt.
    »Weißt du, wie das heißt?« Sachs zeigte auf etwas.
    »Fuß? Zeh?«
    »Nein, die Unterseite.«
    »Klar. Die Unterseite von Füßen und die Unterseite von Zehen.« Sie lachten beide.
    »Planta. Sie hat ein einzigartiges Linienmuster, genau wie bei Fingerabdrücken.
    Lincoln hat mal einen Täter überführt, der sein Opfer mit bloßen Füßen bewusstlos getreten hatte. Einer der Tritte
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    war danebengegangen, hatte eine Tür getroffen und auf ihr einen Abdruck hinterlassen.«
    »Cool. Er sollte noch ein Buch schreiben.«
    »Das sage ich ihm auch ständig.« Sachs hielt kurz inne. »Also, worum geht's?«
    »Stuart.«
    »Red weiter.«
    »Vielleicht hätte ich nicht herkommen sollen. Es ist blöd.« »Na los. Vergiss nicht, ich bin Cop. Ich quetsche es aus dir heraus.«
    »Es ist nur. . Emily hat angerufen, und das ist an einem Sonntag irgendwie komisch, weil sie das sonst nie macht, und ich denke sofort, okay, irgendwas stimmt nicht. Und erst will sie nicht so richtig damit rausrücken, aber dann macht sie's doch. Sie sagt, sie hat Stuart heute mit jemandem gesehen. Mit einem Mädchen aus unserer Schule. Nach dem Fußballspiel. Nur dass er mir erzählt hat, er würde danach gleich nach Hause fahren.«
    »Tja, wie lauten die Fakten? Haben die beiden bloß miteinander geredet? Das wäre nichts Schlimmes.«
    »Sie hat gesagt, sie ist sich nicht sicher, aber, du weißt schon, es hat irgendwie ausgesehen, als würde er sie im Arm halten. Und als er gemerkt hat, dass jemand ihn beobachtet, ist er total schnell mit ihr abgehauen. Als hätte er etwas zu verbergen.« Das Zehnagelprojekt kam auf halbem Wege zum Stillstand. »Ich mag ihn wirklich, wirklich gern. Es wäre echt beschissen, wenn er mich nicht mehr würde sehen wollen.«
    Sachs und Pam waren gemeinsam zu einer Therapeutin gegangen - und mit Pams Einverständnis hatte Amelia auch allein mit der Frau gesprochen. Pam würde noch für lange Zeit mit posttraumatischem Stress zu kämpfen haben, nicht nur als Folge ihrer unaufhörlichen Beeinflussung durch die soziopathische Mutter, sondern auch wegen eines Vorfalls, bei dem ihr Stiefvater sie beinahe umgebracht hatte, während er versuchte, Polizisten zu ermorden. Begebenheiten wie die mit Stuart Everett, die den meisten Menschen unerheblich erscheinen mochten, nahmen in der Vorstel ung des Mädchens immer größere Ausmaße an und konnten sich verheerend auswirken. Sachs hatte die Anweisung erhalten, Pam
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    in ihren Befürchtungen weder zu bestärken noch diese herunterzuspielen. Stattdessen sollte sie jeden Einzelfall behutsam ergründen und möglichst analysieren.
    »Habt ihr beiden darüber gesprochen, ob ihr auch mit anderen ausgeht?«
    »Er hat gesagt. . nun ja, noch vor einem Monat hat er jedenfalls behauptet, da wäre

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