Der Tag, an dem das Glück zurückkam (Bianca) (German Edition)
ihn zu bitten, gleich zu gehen, damit sie sich nicht zu sehr aneinander gewöhnten? Andererseits würde das bei Lilly vermutlich denselben Schaden anrichten, wie, wenn er erst in ein paar Wochen ging.
Natürlich konnte sie ihr erklären, dass Alex ein Freund ihres Daddys war und in sein eigenes Zuhause zurückkehren musste. Aber sollte sie ihr wirklich schon jetzt die Illusion rauben, dass Alex länger blieb? Verstand sie überhaupt, dass er nicht für immer hier sein würde? Lisa hatte damit ja selbst ihre Schwierigkeiten.
Im Haus war es jetzt ganz still. Nur draußen war leise das Zwitschern der Vögel zu hören. Die Sonne schickte ihre Strahlen durch die Fenster und zauberte Lichtreflexe auf Boden und Wände.
Was machte Alex gerade? Da sie ihn nicht mehr hören konnte, arbeitete er vermutlich weiter an der Hütte.
Als sie aufstand, waren ihre Beine wie auf Autopilot geschaltet. Was sie da tat, hatte den Hauch der Verbotenen. So, als würde sie einen schlafenden Tiger wecken.
Nicht, dass sie noch nie draußen nach ihm gesehen hatte. Aber heute war alles anders. Heute wurde sie von dem Ausdruck in seinen Augen verfolgt, den sie vorhin im Auto bemerkt hatte.
Heute war sie eine Frau, deren Gedanken sich um einen Mann drehten.
Heute kämpfte sie gegen ihre Rolle als trauernde Witwe, die noch immer ihren Mann liebte.
Heute wollte sie einfach nur eine Frau sein, die zufällig einen Mann mochte.
Eigentlich hatte sie keine Ahnung, was sie da tat, aber sie musste ihn einfach sehen und ihm zeigen, dass da heute im Auto etwas zwischen ihnen passiert war. Etwas, das sie sich nicht einbildete.
Etwas, das ein schlechtes Gewissen durchaus rechtfertigte.
Sie folgte dem Pfad durch das kurze Gras und ließ ihre Blicke über das Wasser schweifen. Von Alex war nichts zu sehen, doch der See übte wie immer eine beruhigende Wirkung auf sie aus.
Die Tür der Hütte stand offen. War er da drin?
Ihre Beine liefen wie von selbst weiter und hielten erst an, als sie die Tür erreichten. Und noch immer verspürte sie den Drang, weiterzugehen.
Sie wusste selbst nicht so genau, weshalb sie nicht nach ihm rief. Genaugenommen wusste sie nicht einmal, weshalb sie überhaupt nach ihm suchte.
Sie gab der Tür einen vorsichtigen Schubs und trat über die Schwelle ins Innere. Im selben Moment trafen sich ihre Blicke.
Dieses Mal war sie es, die davonlaufen wollte.
Ihr Blick blieb auf sein Gesicht gerichtet und sie versuchte zu ignorieren, dass er kein Hemd trug.
Er sagte nichts. Sie starrten einander einfach nur an. Worte waren in diesem Moment überflüssig.
Vorhin im Auto, da hatten sie es beide gespürt. Sie hatte es sich nicht eingebildet. Und das plötzliche Funkeln in seinen Augen verriet ihr, dass es ihm ganz genauso ging.
Ihr war, als würden sich die unausgesprochenen Worte in ihrer Kehle zu einem Klumpen verhärten. Und so oft sie auch schluckte, sie bekam ihn nicht los.
Sein ganzer Körper war tief gebräunt. Oder zumindest der Teil davon, den sie zu sehen bekam. Seinen flachen Bauch und die muskulöse Brust waren von einem leichten Flaum bedeckt. Seine Arme waren stark, sein Rücken breit, so als habe er viele Stunden im Freien gearbeitet.
Lisa wagte es nicht, länger hinzusehen.
Ihre Blicke trafen sich erneut.
„Sie sollten jetzt gehen.“
Seine Stimme klang so stark wie das Knurren eines Löwen. Lisa fühlte sich abgewiesen, dennoch konnte sie ihn nicht einfach so alleine lassen.
„Alex“, quetschte sie mühsam hervor.
Er kam auf sie zu und blieb dicht vor ihr stehen. So dicht, dass sie die Wärme seines Körpers spürte.
Sie hob ihre Hand und näherte sie seinem Gesicht. Das Verlangen, seine Haut zu berühren, war einfach zu stark.
Doch bevor sie ihn mit ihren Fingern erreichte, schloss sich seine Hand um ihren Arm.
„Nein.“ Seine Stimme klang hart und bestimmt, jedoch weniger streng als gerade eben.
Sekundenlang starrten sie sich einfach nur an, während sein Atem über ihre Haut strich.
Lisa wollte den Blick nicht von ihm abwenden. Jeder Teil ihres Körpers verlangte nach ihm. Nie zuvor hatte sie sich so lebendig, so fest entschlossen gefühlt.
„Lisa, ich kann nicht …“ Seine Stimme verebbte und Lisa bemerkte die Verzweiflung in seinem Blick. Er wirkte äußerlich stark und entschlossen.
Doch in Wahrheit war er genauso schwach wie sie selbst.
Wenn sie mit ihrem Mann zusammen gewesen war, hatte sie sich geborgen gefühlt. Glücklich und zufrieden. So wie in diesem Moment war es nie gewesen.
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