Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel
wie einen Winterteppich aufgerollt.
Nur ging es nicht ganz so aus, wie wir es uns gedacht hatten.
Oder?
Julian.
Gibt es dich eigentlich noch?
Die Jeeps kamen zuerst, im Morgengrauen. Dann die lange Kolonne der Lastwagen, olivgrün, mit den Worten Roswell Army Air Field an den Seiten. Vorsichtig und methodisch zerlegten sie das Wrack der Flugscheibe und luden es in die Lastwagen. Der große, pockennarbige Leutnant, der die Operation leitete, schnaubte vor Lachen, als er auf uns herabblickte.
Der Sergeant mit den Hasenzähnen kam ganz nah an mein Gesicht und kicherte.
»Gott im Himmel!«, sagte er zu dem dritten Mann. »Was für Augen !«
Der dritte Mann, der außerhalb meines Blickfelds stand, antwortete nicht.
»Was für Augen !«, sagte der mit den Hasenzähnen noch einmal.
Sie luden uns in einen Lastwagen, zusammen mit den Trümmern unserer zerschmetterten Scheibe. Die Motoren der Lastwagen dröhnten in der morgendlichen Stille. Wir setzten uns in Bewegung.
VIII.
Das Brennen
(September – November 1966)
KAPITEL 41
Dienstag, 6. September 1966. Der Tag nach dem Labor Day. Der erste Tag des letzten Schuljahres an der Highschool. Mein letztes Jahr, mein denkwürdigstes.
Der Unterricht ist aus. Wir laufen ins Freie, hetzen zu den Bussen, und ich versuche, mich daran zu gewöhnen, dass ich wieder hier bin, bei den Kindern, die ich schon so lange kenne. Wie seltsam es ist, dass um mich herum alle Englisch sprechen. Da treffe ich – wie sollte es anders sein? – Jeff Stollard.
Er begrüßt mich freundlich, so freundlich wie seit Jahren nicht. Für einen Moment fühlt es sich gut an. »Wie war Israel?« , fragt er.
»Ziemlich gut«, sage ich. »Hast du meinen Brief bekommen?«
»Brief? Ja. Den du über diesen Ort geschrieben hast … wie hieß er noch – Abu Tar?«
»Abu Tor.«
Wahrscheinlich sollte ich ihn fragen: Und wie war dein Sommer? Aber er würde mir doch nur davon erzählen, was er alles mit seinen Kumpel von der Folkband gemacht hat, noch immer macht und machen wird, und das kann ich gerade nicht ertragen.
»Ja«, sagt er. »Abu Tor. Das klang sehr interessant.«
Er sieht auf seine Uhr. Nach dem letzten Klingeln bleiben uns zehn Minuten, um unsere Busse zu erreichen. Die Fahrer warten nicht. Die Motoren laufen. Ihre Abgase steigen in der Nachmittagshitze zum Himmel auf. »Übrigens«, platzt es
aus mir heraus, bevor ich es verhindern kann. »Meine Mutter ist gestorben.«
Er kannte meine Mutter, von damals, als wir Freunde waren und er manchmal zu mir nach Hause kam.
»Wann … wann …?«Jeff macht einen betroffenen Eindruck, und er klingt auch so. »Wann ist das passiert?«
»August. Vor ungefähr drei Wochen.«
»Bist du aus Israel zurückgekommen, als es passiert ist?«
»Ich habe es erst erfahren, als ich wiederkam.«
… und mein Vater hat mich am Flughafen abgeholt, keiner von uns beiden hat sie erwähnt, bis wir im Auto saßen und durch die feuchte Nachtluft fuhren und ich fragte: »Wie geht’s Mom?«, und er sagte: »Nun, mein Junge, ich habe leider eine schlechte Nachricht«, und ich fragte: »Sehr schlecht?« Und er sagte …
»Sie war eine nette Frau«, sagt Jeff.
Trauer spricht aus seiner Miene. Seine Haltung entspannt sich leicht, als würde er denken: Die Welt geht nicht unter, wenn wir unsere Busse verpassen. Als stünden wir wieder mit unseren Fahrrädern vor der Schule, wie in alten Zeiten – ich kann fast den Lenker in meinen Händen spüren. Gleich würden wir auf die Räder springen und abdüsen, irgendwohin. Wir würden reden und reden, bis das alles einen Sinn ergab, und dann wären die Jahre der Funkstille zwischen uns vorbei, als hätte es sie nie gegeben.
»Das ist wirklich … das ist wirklich …«, sagte Jeff.
Ich nicke.
»Ich hätte nicht gedacht … dass das passiert«, sagt er.
»Ich auch nicht.«
… und danach, nachdem er es mir erzählt hat, sagte mein Vater: »Du weißt nicht, wie sehr ich diesen Moment gefürchtet habe«, während ich nur denken konnte: Das Schwert ist gefallen, endlich, endlich gefallen …
»Aber eins versteh ich nicht …«, sagt Jeff. »Warum hat dich dein Vater nicht gleich angerufen, als es passiert ist? Telefone gibt es doch auch in Israel, oder nicht?«
»Natürlich. Es ist ein modernes Land, genau wie hier.«
»Wieso hat er denn damit gewartet, bis du wiederkamst?«
»Ich weiß es nicht«, sage ich. Und ich weiß es wirklich nicht.
KAPITEL 42
Ich weiß nur eins:
Ich wurde nicht
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