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Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Titel: Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Halperin
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Frau.‹ Und dann sah sie Rochelle an, und ihr kamen die Tränen. ›Aber er wird seine alte Frau doch auch noch lieben, oder?‹ Und natürlich sagte Rochelle: ›Ja, das wird er.‹ Was sollte sie sonst sagen?«
    »Julian, wenn du nicht sofort aufhörst, gehe ich raus zum Wagen und …«
    »Und fährst weg? Lässt mich zurück? Davor hat deine Mutter auch Angst.«

    »Was?«
    »Sie hat nicht nur Angst davor, dass dein Vater sie verlässt.«
    Ich wandte mich ab und sah zum Fenster. In Kellerfield ist Abend, dachte ich, genau wie hier. »Ich verlasse sie nicht«, sagte ich.
    »Doch, bestimmt. Das musst du, um du selbst zu werden. Du kannst immer Nein sagen. Die Freiheit hast du.«
    »Hab ich die?«, erwiderte ich und spürte einen Hauch von Hoffnung. Vor meinem inneren Auge sah ich meine Mutter nachmittags in ihrem Schaukelstuhl am Küchenfenster sitzen, wo sie darauf wartete, dass ich aus der Schule kam. Ich konnte sie durchs Fenster lächeln sehen, als ich über die Auffahrt lief. Ein Glas Pepsi und eine Schale mit Brezeln – mein Lieblingsessen, denn ich war ein kleiner Junge – warteten bestimmt schon auf dem Küchentisch.
    »Selbstverständlich kannst du Nein sagen. Hast du das nicht auch zu dem hübschen kleinen Mädchen gesagt, als sie ihren Mut zusammengenommen hatte, um dich zu fragen, ob du sie in den Arm nehmen und mit ihr tanzen würdest?«
    »Das war ein Traum!«, schrie ich – denn so unwirklich, undenkbar, traumgleich wie es war, konnte es unmöglich wirklich wahr sein, dass Rosa und ich so kurz davor gestanden hatten, uns in den Armen zu halten.
    »Wenn du es sagst.« Julian stand vom Bett auf, nahm seinen Koffer und stellte ihn neben die Tür des Motelzimmers. »Hast du schon gepackt?«
    »Um wohin zu fahren?«
    »Deine Wahl. Du kannst weiter mit mir nach Miami fahren. Oder ich kann dich zurück nach Jacksonville bringen. Da gibt es bestimmt irgendwo einen Busbahnhof. Dann kannst du nach Hause fahren und bei deiner Mutter sein. Du musst dich unserem ›kriminellen Leben‹, wie du es nennst, nicht anschließen.
Kein Zwang.« Er machte die Tür auf. »Ich warte im Auto, bis du dich entschlossen hast.«
    »Wie viel Zeit habe ich?«
    »So lange du brauchst.«
     
    Ich weiß nicht, wie lange ich auf dem Bett saß. Ich hätte die Zeit in Mückenstichen messen können. Ich dachte an meinen Vater und daran, dass er sich vielleicht eine neue, gesunde Frau suchen würde, mit der er ein gesundes Kind bekam, einen Jungen, den er lieben konnte. Und an Rosa und was ihr durch den Kopf gegangen sein musste, bevor sie wegfuhr, und ich dachte: Das kann man nicht vergleichen. Ihre Mutter hat sie geschlagen, gequält. Meine stirbt nur.
    Ich dachte an den Schmerz des Wachsens. An die Schuld. Daran, dass Rosa den Mut hatte, beides zu ertragen.
    Der Abend dämmerte, als ich auf den Parkplatz hinausging. Dort stand der Pontiac, mit Julian auf dem Beifahrersitz. Das war wohl zu erwarten. Ich schob mich hinters Lenkrad, drehte den Zündschlüssel, legte den ersten Gang ein.
    »Wohin?«, fragte er.
    »Bist du sicher, dass du mir die Autoschlüssel anvertrauen willst? Dass ich nicht zurück zu meiner Mama laufe?«
    »Fahr einfach«, sagte er.
     
    Kurz nach Mitternacht, etwa auf halbem Weg nach Miami, hielten wir an einer Raststätte. Eine Kellnerin brachte uns Kirschkuchen und Kaffee. Sie war sehr jung, blond und zart und hochschwanger. Ihr Gesicht hatte einen Ausdruck ständiger Erschöpfung. Ich musste zwei- oder dreimal hinsehen, bis ich sicher sein konnte, dass sie nicht Rosa Pagliano war.

KAPITEL 13
    In Miami fanden wir ein kleines Hotel, billig und schäbig, aber günstig gelegen, und schliefen bis nach Sonnuntergang. Wir kamen an diesem Abend um Viertel vor zehn zum Flughafen. Rochelles Maschine sollte in zwanzig Minuten landen. Wir fanden keinen Parkplatz.
    »Das hat keinen Sinn«, sagte Julian, als wir den Terminal zum fünften Mal umrundeten. »Ich möchte nicht, dass Rochelle ankommt und keiner da ist. Am besten setze ich dich hier ab, und du gehst zum Gate. Ich komm gleich nach. Es muss doch hier irgendwo auf diesem blöden Parkplatz eine freie Ecke geben.«
    Sekunden später war er mit dem Wagen weg. Ich marschierte in den Terminal, direkt zur Ankunftstafel. Flug 257 von Albuquerque, Ankunftszeit 22:04 Uhr, wurde an Gate 19 erwartet. Inzwischen war es kurz vor zehn.
    Ich hastete einen langen weißen Gang voller Neonröhren entlang. Ich schwitzte am ganzen Leib. Würde Rochelle mit nackten Schultern aus

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