Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel
dem Flugzeug steigen? In demselben Abendkleid wie bei unserer letzten Begegnung? Ich hätte einen Anzug und meine besten, frisch geputzten Schuhe tragen sollen, kein kariertes kurzärmliges Hemd, Khaki-Hosen und Turnschuhe. Ich hätte ihr ein Anstecksträußchen mitbringen sollen. Mein Date für meinen ersten Schulball.
Stattdessen hielt ich eine gebundene Ausgabe von Charles Forts Das Buch der Verdammten in der Hand, das Julian mir geliehen hatte. Etwas zu lesen, für den Fall, dass die Maschine Verspätung hatte.
An Gate 19 drängten sich die Menschen. Man konnte nirgends sitzen. Also hockte ich mich auf den Boden und lehnte mich mit dem Rücken an die Wand. Eine junge Latina setzte
sich rauchend neben mich. »Warten hier alle auf Flug 257?«, fragte ich sie. Sie nickte, ohne mich anzusehen.
»Dürfte ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten? United Airlines Flug 257 von Albuquerque, planmäßige Ankunftszeit 22:04 Uhr, wird sich verspäten. Voraussichtliche Ankunft ist 22:35 Uhr.«
Hm, das war schade. Bestimmt wäre Julian hier, bevor Rochelle landete. Dann brauchte ich auch keine Blumen.
Ich schlug Das Buch der Verdammten auf und fing an zu lesen:
Eine Prozession der Verdammten.
Mit den Verdammten meine ich die Ausgeschlossenen …
Ja, die Verdammten sind die Ausgeschlossenen. Die einzige Lektion, die man in meiner blöden Schule lernen kann. Ich hatte sie mir eingeprägt, bei Gesprächen, an denen ich nicht teilnahm, weil ich nicht wie die anderen redete und auch nicht über dieselben Sachen, und sie wussten es genau wie ich. Selbst Jeff. Inzwischen besonders Jeff …
Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch. Sinnlos, diese Verbitterung. Die Tür zu den Start- und Landebahnen öffnete sich, und Leute strömten in den Wartebereich. Das spanische Mädchen stand in einer Ecke und küsste leidenschaftlich einen dunkelhäutigen Mann mit langen schwarzen Haaren. Ich stand auf, putzte meine Hose ab und fragte mich, ob ich Rochelle erkennen würde, wenn sie durch die Tür trat. Zweimal hatte ich schon Mädchen gesehen, bei denen ich dachte, dass sie es wäre. War sie aber nicht.
Der Strom war nur noch ein Tröpfeln. Dann versiegte er. Jetzt hatte ich die freie Platzwahl. Ich setzte mich. Etwas anderes konnte ich nicht tun. Ich wandte mich wieder Charles Fort zu.
Bataillone der Verfluchten werden marschieren, manche sind leichenblass, manche feurig, manche verwest. Unter ihnen sind Leichen, Skelette, Mumien, die sich winden und taumeln, belebt von Gefährten, die lebendigen Leibes verdammt wurden …
Die Worte bedeuteten mir nichts mehr. Ich klappte das Buch zu. Die Stewardess zog an der Tür und schloss sie. »War das United Flug 257?«, fragte ich sie.
Sie nickte und lief dann eilig davon. Ich wünschte, Julian wäre bei mir. Julian, würde ich zu ihm sagen. Anscheinend hat Rochelle ihren Flug verpasst. Wie wollen wir jetzt Kontakt zu ihr aufnehmen?
Doch auch Julian war nicht da.
Also ging ich zurück in die Schalterhalle. Ich konnte mich nicht erinnern, was Julian gesagt hatte, wo er sich mit uns treffen wollte. Der Bereich um die Abfertigungsschalter wirkte dunkler als zuvor und erheblich verlassener. Ich wunderte mich. Wenn nur noch so wenige Leute im Terminal waren, dann musste es doch irgendwo Parkplätze geben. Warum brauchte er so lange?
Ich lief zwischen den Schaltern und dem Eingang zum Terminal hin und her, während eine Frauenstimme aus den Lautsprechern Durchsagen machte. Eine dieser Durchsagen drang langsam zu mir vor.
»Albert Bender, Sie werden an der Gepäckausgabe für United Airlines Flug 257 erwartet. Albert Bender, bitte melden Sie sich an der Gepäckausgabe für United Airlines Flug 257 …«
Albert Bender?
Der Bender von den drei schwarzen Männern? Der Bender, von dem sich Julian seine Telefonate bezahlen ließ? Bender
musste wohl ein verbreiteter Name sein. Bestimmt gab es mehrere Albert Bender in Miami, genau wie in Bridgeport.
»Albert Bender, Sie werden erwartet …«
Ein paar Abende zuvor hatte ich Julian, als dieser gerade am Steuer saß, nach seinen Telefonaten gefragt. Er hatte mir eine sehr lange Antwort gegeben, die für mich wenig Sinn ergab. Möglicherweise war ich dabei eingedöst. Aber ich hatte so das Gefühl, als könnte ich mich erinnern, dass er mehr als einmal sagte: »Ich sende eine Botschaft. Daran zu erkennen, dass ich Benders Namen verwende. Verstehst du?«
Ich hatte es nicht verstanden. Eine Nachricht für Rochelle? Eine Mitteilung für Tom?
Aber
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