Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel
einen Verband – ein Unterhemd müsste genügen. Ich zog mein Hemd aus und legte es neben mich – und erstarrte. Sogar mein Herz blieb stehen, eine Sekunde oder zwei.
Ein aschener Handabdruck, auf meinem Hemd.
Winzig klein, nicht ganz menschlich. Ein Daumen. Sechs Finger.
An meiner linken Schulter. Genau da, wo ich die Hand gespürt hatte, als ich aus meinem Traum erwacht war.
Ich hörte hohes Jaulen, in schneller Folge. Es kam aus meiner eigenen Kehle. Ich musste diesen Spalt schließen, hätte ihn nie offen lassen dürfen. Ich riss an den Rändern, die ich auseinandergeschoben hatte, versuchte sie zusammenzubringen, wieder eine durchgehende Wand daraus zu machen. Sie ließen sich nicht bewegen.
Eine Angst, wie ich sie noch nie zuvor empfunden hatte, kam über mich. Auf Händen und Füßen wich ich vor diesem leeren Loch in der Wand der Scheibe zurück, den starren Blick darauf geheftet, bis ich an den Altar stieß. Ich legte mich auf den Boden, fürchtete, in die Finsternis der Öffnung zu blicken, fürchtete jedoch auch, mich abzuwenden. Vielleicht – bestimmt
– lag es an diesem Sprung in meinem Brillenglas. Doch die Finsternis schien mir lebendig, pulsierte vor vielbeinigen, Dero-ähnlichen Ungeheuerlichkeiten, die hier drinnen gewesen waren und sicher wiederkommen würden.
Einmal mehr jaulte und heulte ich. Hätte ich die Kraft gehabt, hätte ich mir die Reste meiner Kleider vom Leib gerissen und mich nackt ausgezogen. Ich hob die Hände, flehte zum mondbeladenen Himmel, mich von diesem Ort zu befreien, und wusste doch, sollte ich keine Möglichkeit finden, mich selbst zu retten, dann gäbe es weder auf der Erde noch im schwarzen Himmel darunter irgendwen, der mir zu Hilfe kommen würde.
KAPITEL 19
Ich wandte mich dem Buch zu, weil ich nicht wusste, wem ich mich sonst zuwenden sollte. Ich hatte Vertrauen zu Büchern, hatte ich schon immer. Menschen belügen, betrügen, verlassen einen. Bücher nie. Und dieses Tatsache UFO, das mir der Himmel geschickt hatte … Anfangs habe ich das Buch richtiggehend angebetet. Ich legte es auf den Altar, der auch ein Tisch sein mochte, genau in die Mitte, damit das Mondlicht darauf schien, das durch die Kuppel über mir hereinfiel. Mir war klar, dass ich nicht auf den Altar gehörte, dass ich dort nichts verloren hatte. Das Buch aber schon.
Ich blätterte darin herum, suchte nach einer Notiz von Rochelle, die mir erklärte, wieso sie nicht in der Maschine gewesen war, wohin und warum Julian verschwunden war und wie oder ob ich die beiden jemals wiedersehen würde. Nichts. Nur ein gedrucktes Buch, in dem jeder nur erdenkliche Raum – Ränder, Leerzeilen am Anfang und Ende der Kapitel, Vorsatzblätter
– eng beschrieben war mit den handschriftlichen Notizen der drei Zigeuner und ihren drei verschiedenen Tintenfarben. Hier und da eine Zeichnung.
Von einem Krater beispielsweise. Wie die auf dem Mond, nur stand in der Mitte ein Turm. Auf dessen Spitze lag eine Scheibe, wie ein UFO. Andere, ähnliche Scheiben näherten sich dem Turm, hoben davon ab.
Über die Grafiken des Mondes und seiner Krater, die zum Originaltext gehörten, war etwas gezeichnet worden, das wie Spinnweben aussah, deren Fäden von kleinen, gekrümmten Ellipsen übersät waren. Die Platzierung dieser Punkte schien dem Muster der Knöpfe am Schaltpult zu entsprechen, und ich stand stundenlang an der Wand der Flugscheibe und verglich die beiden. Ich traute mich nicht, die Knöpfe zu drücken.
Dann war da die Gottesanbeterin. Ich starrte die Randzeichnung mit der blauen Tinte in der Mitte des Buches an, dieses langleibige, langbeinige Insekt, aufgespießt auf einen Bleistift. Der Kopf hing in merkwürdigem Winkel herab, qualvoll. Die dicken Augen traten fast aus dem Gesicht hervor. Der Bleistift drang zwischen den Hinterbeinen ein, und aus dem Nacken ragte die Spitze heraus. Striche – in roter Tinte auf dem ganzen Leib – vermittelten den Eindruck von feuchtem, frischem Blut.
Ängstlich suchte ich im Meer der Kritzeleien bei den Beinen der Gottesanbeterin nach einer Erklärung, was diese Zeichnung bedeuten mochte, was sie mit UFOs oder mit mir zu tun hatte. Die Worte SIE BRANNTEN ACHTZEHN TAGE in Blockbuchstaben sprang mich an. Keine Ahnung, wer »sie« sein mochten oder warum sie gebrannt hatten oder was mit ihnen nach den achtzehn Tagen passiert war. Auf der gegenüberliegenden Seite entzifferte ich eine andere Handschrift:
Dann soll er die Fett-Asche nehmen und sie neben den
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