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Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Titel: Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Halperin
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meine, das tue ich.
    »Wann ist dein Wettbewerb?«, fragt er. »Sonntag?«
    Ich habe es ihm gesagt, aber er hat es schon wieder vergessen. Ich gebe mir Mühe, nicht verzweifelt zu klingen. »Kommenden Sonntag. Am Fünfzehnten.«
    »Mach dir keine Sorgen. Ich fahre dich nach New York zu deinem Wettbewerb.«
    Was …? Er ist auf meiner Seite! Er will mir helfen, mich fliegen lassen, sich sogar mit mir verschwören. Ich weiß nicht,
wieso. Egal, ich muss ein wenig Dankbarkeit bekunden, oder? Danke, Dad. Das ist wirklich nett von dir. Keine schwierigen Worte, oder?
    Und doch wollen sie nicht kommen. Ich nicke stumm.
     
    Später, im Bett, sinke ich in einen furchtbaren Traum. Ich renne, mit aller Kraft, versuche, Anlauf zu nehmen, damit ich mich durch ein riesiges, verworrenes Spinnennetz in einem Tunnel stürzen kann, den ich passieren muss. Kann nicht stehen bleiben, kann nicht umkehren, und wenn ich nicht genau die richtige Stelle treffe, hänge ich für immer fest.
    Die Spinne ist da, sitzt gerade so, dass ich sie nicht sehen kann … und ich wache auf, schweißgebadet. Die Worte Sie hängt an einem Faden, hängt an einem Faden jagen mir durch den Kopf.
    Kein Schlaf mehr heute Nacht. Ich steige aus dem Bett, hole mein Tagebuch unter den T-Shirts hervor. Stundenlang schreibe ich. Als das Zimmer im Morgengrauen heller wird und mein Wecker geht, sitze ich immer noch über mein Buch gebeugt, und der Füller windet sich in meinen verkrampften Fingern, als wäre er lebendig.
    Ich wusste, dass ich diesen Ort sofort verlassen musste, bevor die Kreaturen merkten, dass ich einen aus ihren Reihen getötet hatte, und zurückkamen, um Rache zu nehmen.
    Ich schreibe davon, dass ich wach bleibe, stunden- oder tagelang gegen den Schlaf ankämpfe, das Buch der Zigeuner studiere und mich zu erinnern versuche, welche Knöpfe an der Schalttafel die Mondfrau betätigt hat. Bis ich sie genauso geschickt betätige wie sie und die Scheibe allein steuere.
    Alles um mich herum brummte und summte. Ich wurde durchscheinend, dann unsichtbar. Ich konnte meine Finger spüren, aber nicht sehen, während sie die Schalter drückten und drehten und
flink über die Knöpfe flogen. Die Scheibe hob ab, neigte sich leicht. Dann schoss sie in den schwarzen, mondbeladenen Himmel.
    Ich stieg hoch auf, sehr schnell. Ich hätte einen Blick aus der Vogelperspektive auf die dunkle, verkümmerte Welt werfen können, die hinter mir zurückblieb. Doch fehlte mir der Mut, sie mir genauer anzusehen. Ich hatte eine Vorstellung von endlosen Weiten kreideweißer Ödnis, übersät mit Klumpen von schwarzer, verkohlter Vegetation. Bräunliche Punkte, die aussahen wie Tiere, die sich durch die Wüste schleppten. Mondlicht glitzerte am Horizont auf dem unermesslichen See.
    Bald verschwand er in der Ferne. Die Erde war tatsächlich winzig klein, in Anbetracht ihrer Anziehungskraft. Bald war sie nur noch ein Splitter, der durch das Schwarz des Weltalls schwebte.
    Ich war von Sternen umgeben, links und rechts, oben und unten. Über mir prangte der Orion. Der Skorpion kroch zu meinen Füßen. Ich nahm Kurs auf das unbekannte Leuchten des Canopus und das Kreuz des Südens …
     
    Ich werde diese Reise gewinnen!
     
    Ein, zwei Minuten etwa hing ich reglos im Raum. Hinter mir ragte der Mond auf. Es war derselbe Mond, den jeder sehen kann, den ich mein Leben lang gesehen hatte. Da gab es keine Türme, keine Wellen, keinerlei Gewässer. Keinen Ort, an dem ein Junge und eine Mondfrau von ihren Reisen und ihrem Durst ausruhen konnten. Vermutlich hat das alles ohnehin gar nicht existiert. Da waren nur die Krater und die Berge und das endlose, brennende Ödland, das man einst irrtümlich als »Meer« bezeichnet hatte. Mare Imbrium, Mare Nubium, Mare Tranquillitatis.
    Meer des Regens, Meer der Wolken, Meer der Ruhe.
    Ich wusste, dass es irgendwo in der Finsternis vor mir einen Schlitz gab, der groß genug war, dass ich hindurchpasste. Im dichten
Gewebe der Realität gibt es immer einen Schlitz. Den muss man finden. Dann Kraft sammeln, um sich einen Weg dorthin zu bahnen und durch diesen Schlitz zu schießen, wie mit einem Katapult. Auf der anderen Seite steht man dann wieder im Sonnenschein. Wo man hingehört.
    Schießt man daneben, wandelt man in Finsternis und ewigem Durst.
    Mein Herz schlug heftig, als ich an das Risiko dachte, das ich einging, das ich immer eingehen musste.
    Eine Minute verging, vielleicht zwei. Ich wartete … auf Mut.

V.
Ein Wallfahrtslied
    (Juli

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