Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel
Morris’ Haus in Coral Gables versteckt war, wie ich es dir gesagt hatte, und dass die Fahrt nach Roswell vergebliche Liebesmüh sein würde. Natürlich nicht ganz und gar. Da gab es ja immer noch diese Exemplare. Allein die Gelegenheit, die Exemplare mit eigenen Augen zu sehen, war eine Reise nach Roswell wert.
Drei Tage blieben wir in dem Motel. Es hieß Travers Motel. Ich kann mich noch an alle Namen erinnern, obwohl ich in den drei Wochen in New Mexico so viele Motels von innen gesehen habe, dass es bis an mein Lebensende reichen müsste.
Am Morgen des vierten Tages ging ich raus zum Auto, um
etwas zu holen … ich glaube, eine Straßenkarte, die wir im Handschuhfach gelassen hatten. Ich hatte Durst, und mir fiel ein, dass es an der Rezeption einen Cola-Automaten gab. Ich dachte, ich hole Tom und mir zwei Cokes. Also bin ich reingegangen. Und da waren sie.«
»Die drei Männer?«
Sie nickte.
»Du kennst doch diesen Spruch, dass einem das Herz in die Hose rutscht, wenn man urplötzlich Panik bekommt«, sagte sie. »Das konnte ich bestens nachempfinden. Genauso ist es mir ergangen.
Erst drei Tage vorher hatten wir endlos darum gestritten, und ich hatte ihn schließlich überredet, doch nicht umzukehren, um die Männer einzusammeln. Und ich war so erleichtert gewesen, dass er auf mich gehört hatte. Und jetzt kam es mir vor, als hätten die Männer uns verfolgt und aufgespürt.«
»Meinst du, sie haben euer Kennzeichen gesehen?«, fragte ich.
»Ich weiß nicht. Vielleicht war es auch Zufall. Vielleicht haben sie in dem Motel einfach eine Rast eingelegt. Ich weiß nur, dass sie mit dem Mann am Empfang gut Freund waren. Sie sprachen laut und lachten. Der Große schlug sogar mit der flachen Hand auf den Tresen, weil er alles so lustig fand. Das war der mit dem schrecklichen Gesicht, der mit den Pockennarben.
Sie hörten sofort auf zu reden, als ich reinkam. Sie starrten mich an. Grinsten. Musterten mich, so wie Männer es immer machten. Und der Große mit den Pockennarben rief mir zu: ›Hallo, kleine Lady!‹ Und alle fingen wieder an zu lachen, hielten sich die Bäuche, als sei es das Lustigste, was sie je gehört hatten.
Mein Herz schlug so wild, dass ich dachte, es würde mir
gleich aus der Brust springen. Aber ich versuchte, ruhig zu bleiben. Ich ging zum Cola-Automaten, so langsam, wie ich konnte. Ich warf Geld ein, und choonk kam die Cola-Flasche heraus. Und dann noch eine. Und die ganze Zeit über tat ich, als würde ich sie ignorieren, und versuchte gleichzeitig, alles mitzubekommen, was sie sagten. Mich von ihnen abzuwenden und sie trotzdem zu beobachten, aus dem Augenwinkel.«
»War der Dünne auch dabei?«, fragte ich. »Der mit den Hasenzähnen?«
»Hasenzähne. Ja, so nennt man die. Das Wort hatte ich schon vergessen. Der war auch dabei. Der fieseste Typ, den ich je gesehen habe. Und dann war da noch der Dritte. Das war der Einzige, den sie beim Namen genannt haben. ›Jemi.‹ Sie haben ihn ›Jemi‹ genannt. Sogar der Mann hinterm Tresen. Keine Ahnung, woher er die drei kannte.«
»›Jemi‹«, sagte ich. »Das ist …?«
»Ja, ja. Einer der drei angeblichen Zigeuner, die ihre Anmerkungen in Morris’ Buch geschrieben haben. Da gab es einen ›Mr A‹. Einen ›Mr B‹. Und es gab ›Jemi‹ … Im selben Moment, als ich diesen Namen hörte, musste ich an Morris denken. Ich dachte daran, dass Tom recht hatte. Morris wollte diese drei Männer finden, mit ihnen reden und ihnen die Geheimnisse der UFOs und der Unsichtbarkeit entlocken und wie das alles zusammenpasst. Dann dachte ich an den toten Morris im Auto. Im Park in Coral Gables. Erstickt, die Augen weit aufgerissen vor Entsetzen. Und ich wusste, dass sie hier waren und ich sie gefunden hatte. Ohne es eigentlich zu wollen. Und dass irgendjemandem etwas Schreckliches zustoßen würde. Tom. Oder mir. Oder sonst wem.
Ich nahm die Cokes und ging zur Tür. Ich gab mir allergrößte Mühe, langsam und entspannt zu gehen. Nur das Schwitzen war nicht zu verhindern. Da kann man machen,
was man will. Ich hatte mein weißes Sommerkleid an, und es war klatschnass. Zwei Riesenflecken unter den Armen. Natürlich haben sie es bemerkt. Der Dünne sagte etwas zu den anderen – leider zu leise, als dass ich es hören konnte –, und alle lachten. Und der mit den Pockennarben rief: ›Pass auf, dass du nicht heiß läufst, kleine Lady!‹
Ich bin rausmarschiert und ließ die Fliegengittertür hinter mir zuknallen. Den ganzen Weg bis zum Wagen
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