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Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Titel: Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Halperin
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mir nicht sicher. Aber wenn sie irgendwo eine Chance hat, dann im Hadassah auf der anderen Seite. Es ist das beste Krankenhaus in der Gegend. Vielleicht auf der Welt. Alle Ärzte hier wissen es, und ihre Patienten auch, aber natürlich sagen sie es lieber nicht zu laut.«
    Sie legte einen Arm um meine Taille und lehnte ihren Kopf an meine Schulter. »Ich wünschte, ich könnte mit dir gehen«, sagte sie.
    »Erklär mir noch mal, wieso du es nicht kannst.«
    »Wenn dich die Israelis schnappen, halten sie dich schlimmstenfalls zwei Wochen fest, bis sie die Bestätigung bekommen, dass du tatsächlich Danny Shapiro bist, ein netter, jüdischer Jungen aus Pennsylvania, der ihnen nichts tut. Wenn sie mich schnappen, werde ich sofort in die USA abgeschoben. Und komme wegen Mordes vor Gericht.«
    Ich drückte mein Gesicht in ihr Haar. Es roch sauber, natürlich. Noch nie im Leben hatte ich etwas Zarteres gerochen.
    »Wenn ich gehe«, sagte ich, »werde ich dich nie wiedersehen.«
    »Das denke ich nicht«, erwiderte sie. »Ganz und gar nicht. Die Chancen, dass die Kleine überlebt, stehen fünfzig zu fünfzig. Sogar besser als das, sagt Dr. Talibi, vorausgesetzt, sie kommt in die richtigen Hände. Und wenn sie überlebt, wird
diese Welt in wenigen Jahren so anders sein als alles andere, was wir je gekannt haben, dass wir sie kaum wiedererkennen werden. So anders, als würden wir auf einem anderen Planeten leben. Dann kann ich wieder nach Hause kommen. Und du und ich, wir werden wieder zusammen sein.«
    Aus dem Nichts hörte ich erneut diese Stimme: »Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden? Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt unter diesem abtrünnigen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln.«
    Dann verlor sich die Stimme und war nicht mehr zu hören.
    Es ist der Priester, dachte ich. Derselbe Priester, der vor einer Minute mit den Leuten hier war.
     
    Es wurde dunkel im Tal von Hinnom. Ich blickte zu den felsigen, von Dornensträuchern überwucherten Hängen hinüber, nach denen die Hölle benannt war. Einst hatten die Bewohner Jerusalems in diesem Tal ihre Abfälle verbrannt, manchmal auch ihre Kinder, als Opfer für heidnische Götter oder vielleicht auch ihren eigenen Gott. Der Gestank an diesem Ort, die glimmenden Feuer und die Schreie der Kinder, die bei lebendigem Leib verbrannten, hatten aus gei hinnom, dem »Tal von Hinnom«, Gehenna gemacht, das jüdische Wort für »Hölle«. Ich verzog das Gesicht und richtete mein Fernglas auf die Kalksteinhäuser von Abu Tor.
    Der Stacheldrahtzaun und die Straße, die er teilte, kamen ins Blickfeld. Außerdem ein Junge, der sich von der israelischen Seite dem Zaun näherte.
    Ich hielt das Fernglas auf diesen Jungen gerichtet. Ich merkte, dass seine Kleider an ihm herabhingen, als passten sie ihm
nicht richtig – Khaki-Hosen und ein kurzärmliges gelbes Hemd, das etwas zu groß wirkte, zu weit. Er trug eine dicke schwarze Hornbrille.
    Ich kannte diesen Jungen.
    Ich wusste, warum er vor Trauer, hilfloser Sorge und maßloser Erschöpfung ein langes Gesicht machte. Ich wusste, warum er so seltsam lief, als wäre sein Körper ein Fahrrad, das er nicht so recht beherrschte.
    Er ist sechzehn Jahre alt, aber er könnte zwölf oder sechzig sein. Er ist der Sohn einer kranken Mutter und eines Vaters, der sich vom Leben und der Ehe verraten fühlt. Er hatte sich solche Mühe gegeben, seinen Wettbewerb zu gewinnen, um diesen Sommer weit wegzufliegen, doch als er an Bord der Maschine ging, folgten ihm seine Trauer, Angst und Einsamkeit. Sie würden ihn finden, wohin er auch ging.
    … ich kann ihn nicht ertragen, ich hasse ihn, ich verachte ihn. Mit dieser dicken Brille ist er die hässlichste Kreatur der Welt …
    Er wünscht sich eine Freundin, hatte aber noch nie eine. Nah, ganz nah dran war er, als die wilde, hübsche Rosa ihre Hand nach ihm ausstreckte, und wer weiß, was passiert wäre, hätte er Ja gesagt. Aber sie würde keinen schüchternen Mann heiraten, weil er schon weglief, wenn sie nur zwinkerte. Und das tat er auch, tatsächlich: Er lief heim zu seiner Mama. Die jetzt aber trotzdem stirbt.
    Am Zaun blieb er stehen. Er starrte diesen Zaun an, als würde ihm erst jetzt bewusst, dass hier die Welt zu Ende war, dass die Grenze Abu Tor

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