Der Tag, an dem du stirbst
nun auch D.D. im Verdacht hatte, verrückt zu sein.
«Schön», erwiderte D.D. «Und ich werde mich um Abigail kümmern. Mal sehen, wer von uns beiden den Killer zuerst stellt.»
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37. Kapitel
Als der erste Streifenwagen mit heulender Sirene anrollte, fiel ich in Schockstarre. Er kam meinetwegen. Davon war ich überzeugt, obwohl es keinen logischen Grund dafür gab. Unter Verfolgungswahn zu leiden schloss nicht aus, dass andere tatsächlich hinter einem her waren.
Ich versteckte mich hinter einem Telegraphenmasten neben dem Eingang zur U-Bahn-Station, hob die Schultern und zog den Kopf ein, als könnte ich tatsächlich in meiner dicken Winterjacke verschwinden.
Es war zwecklos. Auf kreischenden Reifen kam der Streifenwagen neben mir zum Stehen. Ich rechnete mir aus, wie schnell die Stufen zur U-Bahn-Station zu erreichen wären. Vierzig, fünfzig Schritte. Ich war klein und schnell. Wenn ich sofort losrannte, würde ich es vielleicht schaffen –
«Steigen Sie ein», knurrte Officer Mackereth durch das geöffnete Fenster der Beifahrertür. «Los, Charlie! Steigen Sie ein. Sofort!»
Ich öffnete die Tür, stieg ein, zog die Tür hinter mir zu und verkroch mich in den Fußraum zwischen Sitz und Armaturenbrett. Mit eingezogenem Kopf, die dunklen Haare auf dem schwarzen Lederpolster, war ich von draußen nicht mehr zu sehen. Tom trat aufs Gaspedal. Die Sirene heulte immer noch. Allem Anschein nach lieferten wir uns eine wilde Verfolgungsjagd.
«Beschreiben Sie mir Ihre Waffe», sagte Tom, beide Hände am Steuer, den Blick auf die Straße gerichtet.
«Wie bitte?»
«Beschreiben Sie mir Ihre Pistole!»
«22er Taurus Halbautomatik. Vernickelt … Griff aus Rosenholz.»
«Was für ein Griff?»
«Aus Rosenholz.» Er grunzte, bog um eine Ecke und beschleunigte wieder.
«Was geht hier ab, Tom?»
«Vor zwei Minuten hat der Sergeant angerufen. Gegen Sie liegt ein Haftbefehl vor.» Er warf mir einen Blick zu. «Wegen Mordes.»
Ich sperrte die Augen auf. Mein Mund blieb geschlossen.
«Was ist, Charlie? Wollen Sie mir nicht sagen, dass Sie nichts damit zu tun haben? Dass Sie unschuldig sind?»
«Ich verstehe nicht», erwiderte ich.
«Ich auch nicht.» Er klang verärgert. Vielleicht ärgerte er sich über sich selbst. «So viel habe ich mitbekommen: Seit einer halben Stunde ist über Funk davon die Rede, dass die Bostoner Polizei einen größeren Fall aufgeklärt hat. Es geht um drei Kinderschänder, die erschossen wurden. Man hat die Tatwaffe sichergestellt. Einige Kollegen reißen Witze und meinen, der Frau , die geschossen hat, gehöre eine Dienstmarke an die Brust geheftet.»
Tom lenkte seinen Blick wieder auf mich. «Mir war sofort klar, dass Sie dahinterstecken, Charlie. Gestern hieß es, Ihre Waffe müsse beschlagnahmt werden. Dann hat sich der Lieutenant Ihren Dienstplan vorlegen lassen und die halbe Nacht mit einem Detective aus Boston telefoniert.»
«Augenblick.» Ich richtete mich auf und stieß prompt mit dem Kopf unter das Armaturenbrett. «Sagten Sie: drei Kinderschänder? Habe ich richtig verstanden?»
«Ja. Ich weiß, dass Shepherd ihre Tasche durchsucht und keine Waffe darin gefunden hat.»
Ich sagte nichts mehr, hörte nur zu.
Tom fuhr fort: «Da habe ich mich gefragt, wie es möglich ist, dass man Ihre Pistole als Tatwaffe identifizieren konnte. Also habe ich im Labor angerufen …»
«Sie haben im Labor angerufen?»
«Ja. Ich kenne dort den Spezialisten für ballistische Untersuchungen. Jon Cassir. Wir haben zweimal im Monat gemeinsames Schießtraining. Ich fragte ihn, gewissermaßen von Cop zu Cop, rein dienstlich. Und er bestätigte mir, dass er in einer wichtigen Sache die ganze Nacht mit einer mutmaßlichen Tatwaffe beschäftigt war. Die ballistischen Tests waren positiv, aber er konnte an der Waffe keine Fingerabdrücke finden, weil der Griff aus Gummi ist.»
«Aus Gummi?» Ich verstand gar nichts mehr.
Tom bremste ab und setzte den Blinker. Er hielt vor einer Kreuzung an. Ich duckte mich wieder und hoffte, unsichtbar zu sein. Er bog nach rechts ab, schaltete das Blaulicht aus und fuhr in gemäßigtem Tempo weiter, offenbar auf ein bestimmtes Ziel zu.
«Ich habe auch einmal in Ihre Tasche geschaut», sagte er.
«Sie haben meine Umhängetasche durchsucht?»
«Sie hatten gerade eine Zehn-sechs. Ich wollte Sie sprechen. Sie waren weg, aber Ihre Tasche lag da. Also habe ich einen Blick reingeworfen.»
«Das ist unerhört …»
«Seien Sie mir dankbar,
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