Der Tag, an dem du stirbst
hätten da noch ein paar Fragen, was die Kollegin angeht, die die Waffe bei dir abgegeben hat. Du hast ihren Namen auf der Quittung? Detective Ellen Ohlenbusch. Prima. Ich danke dir, Jon. Wir hören voneinander. Ja, nächste Woche. Ich freue mich schon. Bye.»
Tom klappte sein Handy zu. «Da haben wir’s. Detective Ohlenbusch. Sie hat die Waffe eingereicht.»
«Dieses Miststück», murmelte ich. «Nicht, dass ich mich mit ihr darüber streiten wollte, ob Sexualstraftäter den Tod verdient haben, aber wenn sie es getan hat, sollte sie auch dafür geradestehen und nicht mich anschwärzen.»
«Wenn Sie morgen noch leben, können Sie die Sache geraderücken.» Tom griff nach den Wagenschlüsseln. Er deutete auf das Telefon. «Versteht sich wohl, dass Sie die Finger davon lassen.»
«Ich habe ein Handy.»
«Mit GPS?»
«Als könnte ich mir so etwas von meinem Gehalt leisten.»
Er grinste und wandte sich der Tür zu. Bevor er ging, drehte er sich noch einmal um und streckte seine Hand aus.
Völlig ohne Gegenwehr ließ ich es mir gefallen, dass er mich an sich zog. Er krallte mir seine Finger in die Schultern und senkte seinen Mund auf meine Lippen, während ich reglos dastand, die Hände flach auf seiner Brust.
Er war alles andere als zärtlich. Fragte nicht, vergewisserte sich nicht und versprach auch nichts. Seine Lippen waren hart, vielleicht ein wenig zornig, aber auch hungrig, bedürftig und fordernd. Ich griff ihm mit beiden Händen in die Haare und knickte mein linkes Bein um seine Hüfte. Er verschlang mich fast, aber ich war noch hungriger, noch bedürftiger. Wir küssten und küssten uns.
Dann ließ er von mir ab und trat einen Schritt zurück. Seine kurzen braunen Haare standen zu Berge. Seine Brust ging keuchend auf und ab. Er hob die Rechte, als wollte er mich auf Abstand halten.
«Nichts für ungut» erklärte er, immer noch kurzatmig.
«Okay.» Ich hielt meine Hände, zu Fäusten geballt, an der Seite, um nicht über ihn herzufallen.
«Ich muss wieder auf Streife, mich zurückmelden.»
«Dienst ist Dienst», erwiderte ich.
«Ein paar Stunden, dann bin ich wieder zurück, versprochen», sagte er.
«Ich werd’s überleben, versprochen.»
Er nickte, schaute mir in die Augen, und dann …
Er ging.
Ich schloss die Tür hinter ihm ab, stand noch eine Weile auf dem Fleck und fragte mich, wer von uns beiden als Erster lügen würde.
Sechseinhalb Stunden. Keine Waffe. Kein Hund. Kein Heimvorteil.
Scheiß drauf. Ich durchwühlte sämtliche Küchenschränke und fand schließlich eine Schublade, in der Tom den üblichen Kram aufbewahrte. Klebeband, Kugelschreiber, Batterien, eine Angelschnur, Gummibänder, einen Hammer und Kleingeld.
Ich rüstete mich zum Krieg.
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38. Kapitel
D.D. kehrte in die Zentrale zurück und machte sich sofort auf den Weg in den Konferenzraum, wo sie im Uhrzeigersinn um den Tisch für acht Personen herumging und die Tatortberichte in den Fällen Randi Menke und Jackie Knowles auslegte. In der Mitte des Tischs verteilte sie in einer langen Reihe wie Platzdeckchen die entsprechenden Polizeifotos.
Dann trat sie zurück und betrachtete ihr Werk.
Neil kam zur Tür herein und sagte etwas über einen Zeugen, den sie anrufen müsse. Sie brummte. Er ging.
Phil kam und sagte, alle anderen machten Mittag. Sie brummte. Er ging.
Sie starrte noch eine Weile auf den Tisch.
Sie dachte an Abigail. Ein vor Jahren verschollenes Baby? Eine abgespaltene Person? Ein Bruchstück aus Charlene Grants lückenhafter Erinnerung? Egal, entschied D.D. Es kam nicht darauf an, was, sondern, wer Abigail war.
Abigail. Braune Haare, blaue Augen. Jemand, der die Stirn gehabt hatte, sich nach dem kaltblütigen Mord an einem Kinderschänder einem Augenzeugen namentlich vorzustellen. Wahrscheinlich in irgendeinem Verhältnis zu Charlene Grant stehend. Darüber hinaus auch mit den Morden an deren besten Freundinnen? Jedenfalls das fehlende Puzzlestück. Vielleicht von zentraler Bedeutung für den 21. Januar.
Abigail.
D.D. starrte auf die Fotos von Randi Menke und Jackie Knowles, und je länger sie die Bilder betrachtete, je länger sie darüber nachdachte, desto überzeugter war sie davon, auf der richtigen Spur zu sein. Abigail hatte diese Verbrechen begangen. Die Fotos rochen förmlich nach ihr.
Quincy hatte in den Morden eine weibliche Handschrift ausgemacht. Saubere, aufgeräumte Zimmer, aufgeschüttelte Kissen, blitzblanke Böden. Beide Opfer hatten ausgesehen, als
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