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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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    Sie blickte zu ihm auf. «Noch hätten wir Zeit abzuhauen», antwortete sie ernst. «Oder ich könnte sagen, dass deine Leiche im Hinterhof verscharrt wurde. Sie würden mir glauben.»
    Er grinste. Trotzdem sah sie die Freundlichkeit in seinen Augen. Es störte sie, dass er zu glauben schien, sie habe solche Blicke nötig. Noch mehr störte es sie, dass er wahrscheinlich recht damit hatte, dass aus ihr eine Frau geworden war, die so etwas manchmal tatsächlich gebrauchen konnte. Es lag wohl am Schlafmangel, redete sie sich ein. Oder hatte es vielleicht doch mit jenen Veränderungen zu tun, die Mutterschaft mit sich brachte, was bedeuten würde, dass sie auf ewig eine leicht reizbare, häusliche und weniger taugliche Version ihrer selbst bliebe?
    «Es ist ja gar nicht so, dass ich sie komplett ablehnen würde», hörte sie sich sagen. «Ich habe ein anderes Verhältnis zu ihnen als du zu deinen. Wirklich.»
    Alex wickelte eine Locke ihrer kurzen blonden Haare um seinen Finger. «Und wie würdest du das beschreiben?»
    Sie zuckte mit den Achseln und spielte an Jacks winzigen Fingern wie Alex an ihren Haaren. «Ich respektiere sie. Es sind zwei intelligente, gutherzige Leute, die ihr eigenes Leben führen. Sie haben ihre Sorgen, ich habe meine. Wir sind glücklich.»
    «Du warst dagegen, dass deine Mom bei der Geburt dabei ist», erinnerte er sie.
    Entschieden schüttelte D.D. den Kopf. «Um Himmels willen. Das wäre ja schrecklich gewesen.»
    «Warum?»
    «Darum.» Wieder zuckte sie mit den Achseln und betrachtete ihren pummeligen Säugling, der mit einem breiten, zahnlosen Lächeln zu ihr aufblickte. Er hatte ihre blauen Augen, wie sie fand, würde aber wahrscheinlich wie sein Vater dunkle Haare bekommen.
    «Ich liebe ihn», sagte sie plötzlich. «Ich liebe … alles an ihm. Seinen Duft, wie er sich anfühlt, wie er lächelt. Er ist das vollkommenste Baby auf der ganzen Welt. Und ich behaupte, meine Mutter hat nie so empfunden, was mich betrifft.
    Ich war nur ein spätes Versehen, das zwei sehr kopflastigen Menschen unterlaufen ist, die eigentlich nie Kinder haben wollten. Und zu allem Übel war ich nicht einmal ein stiller, braver Bücherwurm, sondern ein Teufelsbraten, der auf Bäume kletterte, Fahrräder zu Schrott fuhr und so fest zuschlug, dass der arme Mikey Davis einmal einen Zahn verlor.»
    «Du hast dich mit einem Jungen angelegt?», fragte Alex.
    «Ich war sieben», antwortete D.D., als erklärte das alles. «Hab mir selbst eine Platzwunde an den Knöcheln zugezogen. Mein erster Gedanke danach war, dass ich unbedingt boxen lernen muss. Der erste Gedanke meiner Mutter war, mich für den Rest meines Lebens unter Hausarrest zu stellen. Unsere Positionen sind seitdem ungefähr dieselben geblieben.»
    «Deinen Eltern gefällt nicht, dass du Detective bist?», fragte Alex.
    «Gegen den Job an sich haben sie nichts», erwiderte D.D. «Selbst im Universum meiner Eltern verdienen Detectives einen gewissen Respekt. Aber als ich Cop wurde … ich glaube, meine Mutter war einfach nur erleichtert, dass ich mit diesem Job auf der richtigen Seite unseres Rechtssystems stehe.»
    Alex lächelte. «Das denke ich auch manchmal mit Blick auf viele meiner Kollegen in Uniform. Nervös?»
    Sie sah ihn an. «Meine Mutter schafft es wie niemand sonst, dass ich mir hässlich und dumm vorkomme», gestand sie.
    «Dann werden wir dafür sorgen, dass sie nicht lange bleiben und sich, solange sie hier sind, auf Jack konzentrieren. Auch wenn deine Mutter deinen rechten Haken nie zu würdigen verstanden hat, wird es ihr kaum möglich sein, an dem Kleinen etwas auszusetzen.» Alex deutete auf ihr strampelndes, sabberndes Kind. «Wie könnte man mit ihm in Streit geraten?»

    Zehn Minuten später klingelte das Telefon. D.D. legte Jack in seinen Korbwagen und hoffte, dass er vor seiner nächsten Mahlzeit ein wenig schlafen würde. Dann kramte sie ihren Spiralblock und das kleine Diktiergerät hervor und schaltete den Außenlautsprecher ein, bevor sie den Anruf von Alex’ Kollegen entgegennahm.
    «Professor Dembowski? Hier ist Sergeant Detective D.D. Warren. Danke, dass Sie anrufen.»
    «Ray. Nennen Sie mich bitte Ray.»
    Dembowski hatte eine angenehme Stimme. Tiefe Basslage, sonor, dem Klang nach fünfzig bis sechzig Jahre alt, schätzte D.D. Sie setzte sich an den Küchentisch, auf dem der Zettel in seiner Plastiktüte lag.
    Irgendwann muss jeder sterben.
    Sei tapfer.
    Alex saß ihr mit einem gefüllten Weinglas

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