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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Alligator zuschnappen oder sich eine Schlange von der Deckenlampe herunterringeln mochte.
    Aber heute spielte Jesse nicht Entdeckungsreise. Er steuerte geradewegs auf die Computer zu, die in kleinen, offenen Nischen untergebracht und momentan alle belegt waren. Ein Mädchen fiel ihm ins Auge, das aber jünger zu sein schien als er und irgendein Spiel spielte, während sein Vater hinter ihm stand und auf sein Handy starrte.
    Es gab nur wenige Computer in der Kinderabteilung. Daran hatte Jesse nicht gedacht. Vielleicht war Pink Poodle schon wirklich etwas älter und in dem Raum für Teenager eine Etage höher.
    Er lief durch das Treppenhaus nach oben. Warum auch nicht? Wie jeder andere Jugendliche würde er die Tür aufstoßen und wie selbstverständlich hineinspazieren. Niemand hätte was dagegen.
    Vor der Tür angekommen, traf er auf das erste Hindernis: ein Schild, das nur Jugendlichen zwischen zwölf und achtzehn Jahren Zutritt erlaubte. Nicht willkommen zu sein war kein Verbot, dachte Jesse. Er holte tief Luft und trat kurzerhand ein.
    Der Raum war ziemlich voll. Beim Anblick der vielen Teenies und Laptops, der riesigen Fenster vor den Lichtern der Stadt und der knallbunten Einrichtung wurde Jesse etwas verlegen.
    Er schaute sich hektisch um, einmal, zweimal, sah Mädchen und Jungen, aber keinen Pudel. Vor Schreck machte er sich aus dem Staub.
    Das war’s. Er konnte den Raum nicht betreten. Er schaffte es einfach nicht.
    Was sollte er nun tun? Wie konnte er Pinky Poo ausfindig machen?
    Zum Glück fiel ihm ein, dass es überall in der Bibliothek Computerstationen gab. Man konnte sich sogar Laptops ausleihen, was seine Mutter tat, wenn ihr alter Rechner in der Reparatur war. Pink Poodle hatte keinen bestimmten Treffpunkt genannt. Wahrscheinlich war sie auf der Suche nach einem freien Arbeitsplatz durch das ganze Haus gelaufen.
    Jesse beschloss, sich ebenfalls auf die Suche zu begeben, zuerst im Erdgeschoss und dann von Etage zu Etage.
    Er hatte Zombie-Bear aus der Tasche geholt und hielt ihn mit beiden Händen an die Brust gedrückt. Es war heiß und kalt in der Bibliothek, je nach Abteilung. Im Hochparterre hatte er der Hitze wegen den Reißverschluss der Jacke aufgezogen und die Mütze vom Kopf genommen; seine Schritte waren immer langsamer geworden, und noch immer suchte er nach dem fremden Mädchen, das womöglich irgendwo im Schatten hockte, ohne sich selbst umzuschauen.
    Dann sah er es.
    Auf einer der Computerkonsolen lag ein pinkfarbener Pudel.
    Jesse blieb stehen. Er starrte auf die fremde Gestalt vor dem Computer, die plötzlich den Kopf drehte und ihn erblickte. Es war ein Junge.

    Er fragte: «Homerun-Bear?»
    «Pinky Poo?», erwiderte Jesse, was ihm selbst so albern vorkam, dass er in Verlegenheit geriet und wünschte, nichts gesagt zu haben.
    Aber der Junge lachte. «Ja, ich weiß.» Er grinste und sah selbst ein bisschen verlegen aus. Mit der Hand fuhr er sich durch zerzauste braune Haare. «Ich schwöre, der Pudel ist nicht meiner», sagte er. «Er gehört meiner kleinen Schwester. Sie hat ihn vor einem Jahr zum Geburtstag bekommen und wollte, dass ich ihr ein paar Spiele am Computer beibringe. So ist sie auf diese Site gekommen und …» Der Junge zuckte mit den Achseln. «Meine Schwester hat sich für den Pudel nicht mehr interessiert. Tja, jetzt bin ich hier und spiele dreimal am Tag Baseball.»
    Jesse nickte. Er entspannte sich ein wenig und wollte einen Schritt näher heran. «Wär dir ein Homerun-Bear lieber?», fragte er mit ernster Miene.
    Der Junge lachte wieder. «Vielleicht, aber Pink Poodle steht so gut in der Statistik, dass ich ihn nicht mehr abgeben möchte.» Er streckte die Hand aus. «Ich heiße Barry. Und du?»
    «Emmm. Jesse … Jesse Germaine.»
    «Ein netter Bär, den du da hast. Was ist mit ihm passiert?»
    Befangen hob Jesse sein Stofftier in die Höhe. «Och, emmm … jetzt ist er ein Zombie. Von den Toten auferstanden …» Die Worte, die er sagte, kamen ihm selbst ziemlich langweilig vor, aber der Junge mit Namen Barry lachte.
    «Super. Vielleicht sollte ich Pink Poodle auch zum Zombie machen. Wäre bestimmt cooler als so ein Köter. Schließlich bin ich schon sechzehn.»
    «Spielst du gerade?», fragte Jesse und rückte näher.
    «Ja. Gerade war Helmet Hippo online. Er ist mein Erzfeind, musst du wissen. Er hat tausendfünfhundert Punkte mehr als ich. Aber ich werde immer besser. Im nächsten Monat ziehe ich an diesem Fucker vorbei, da bin ich mir sicher.»
    Jesse

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