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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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erschrak, als er dieses schlimme Wort hörte. Er machte den Mund zu und zwang sich, wieder locker zu werden. Barry war sechzehn. Sechzehnjährige Jungs konnten sich solche Wörter erlauben. Er selbst benutzte sie, wenn seine Mutter nicht in der Nähe war. Er schaute sich um.
    «Spielst du gerade Baseball?», fragte er und schaute über Barrys Schulter hinweg auf den Bildschirm.
    «Ja, siebtes Inning. Zwei von uns sind draußen. Wir sind jetzt am Schlagmal. Slimey Slug spielt mit in unserem Team.»
    «Läuft wohl nicht so gut», meinte Jesse.
    «Ja, es müsste ein Wunder geschehen, wenn sich das noch rumreißen ließe.»
    «Oh.» Jesse war enttäuscht. Er wollte doch lernen, wie man einen Ball anschneidet.
    Barry hatte Verständnis, wie es schien. «Willst du spielen? Komm, nimm dir einen Stuhl. Wir melden deinen Bären an, und ich zeige dir ein paar Tricks.»
    Jesse suchte nach einem freien Stuhl und rückte ihn neben Barry. Schulter an Schulter saßen sie nun vor dem Bildschirm. Vorsichtig setzte Jesse Zombie-Bear neben Pink Poodle auf den Tisch. Er fand, dass die beiden gut zueinanderpassten.
    Jesse blickte auf seine Armbanduhr und stellte fest, dass schon über eine Viertelstunde verstrichen war. «Bin gleich wieder da», sagte er. Bevor Barry etwas sagen konnte, war er losgelaufen, um seine Mutter zu suchen. Er fand sie an einem der Lesetische. Sie sah konzentriert aus und blätterte in einem großen Buch. «Hab mich ein bisschen verspätet», sprudelte es aus ihm heraus. «Die Bibliothekarin hilft mir dabei, eine neue Buchreihe zu finden, die was für mich sein könnte. Gibst du mir noch eine Viertelstunde? Bitte.»
    «Was?» Seine Mutter blickte zu ihm auf.
    «Die Bibliothekarin. Sie hilft mir. Wir suchen nach einer neuen Buchreihe für mich.»
    «Okay. Aber keine Minute länger. Wenn du die richtige gefunden hast, komm mit dem ersten Band hierher.»
    «Mach ich.»
    Jesse atmete tief durch und schaute auf die Uhr. So schnell er konnte, rannte er wieder nach unten, wo Barry seinen Pink Poodle schon aus dem Spiel genommen hatte und auf ihn wartete.
    «Ich musste nur eben Bescheid geben», sagte Jesse, ohne nachzudenken.
    «Bescheid geben?»
    Jesses Wangen wurden rot. «Meiner Mom», murmelte er. «Sie ist oben und liest.»
    «Okay», sagte Barry, der damit offenbar kein Problem hatte. Er ließ sich von Jesse das Passwort nennen, loggte Zombie-Bear ein, und wenig später waren sie schon im Spiel. Der große Junge zeigte Jesse an den Pfeiltasten der Tastatur, was er machen musste. Dann versuchte sich Jesse daran. Manchmal konnte er den Spielzügen nicht folgen, weil sie zu schnell abliefen. Um zu helfen, führte Barry ihm die Hand – rechte Pfeiltaste, links, hoch, runter oder links, links, links, runter, rechts.
    Wenn Jesse traf, jubelte Barry verhalten, um die anderen Besucher nicht zu stören. Wenn er danebenschlug, murmelte Barry Worte wie «Fucker», «Scheiße» oder «Arschkarte». Jesse musste kichern, weil er «Arschkarte» noch nie gehört hatte, und je mehr er darüber nachdachte, desto komischer fand er diesen Ausdruck.
    Plötzlich klingelte es in Barrys Tasche. «Verdammt.»
    Der Junge kramte in der Tasche und zog ein Handy daraus hervor. «Ich muss gehen», sagte er.
    «Oh», maulte Jesse. «Du hast mir noch gar nicht gezeigt, wie man einen Ball anschneidet.»
    «Stimmt.» Barry hatte sich schon ausgeloggt und stopfte Pink Poodle in die Tasche seiner übergroßen Skijacke. «Wenn du morgen wieder hier bist, zeig ich’s dir.»
    Jesse biss sich auf die Unterlippe. Wie gerne würde er das, aber es war ja heute schon fast unmöglich gewesen zu kommen. Außerdem hätte er sich schon längst bei seiner Mutter zurückmelden müssen. Sie war wahrscheinlich sauer auf ihn und würde bestimmt verbieten, dass er morgen wieder in die Bibliothek fuhr. «Ich … ich habe morgen schon was vor», murmelte Jesse. «Nach der Schule.»
    Barry stand bereits und schob den Stuhl unter den Tisch. «Dann eben übermorgen.»
    «Aber … aber …»
    «Hör zu, Kleiner, ich muss jetzt jedenfalls gehen.»
    Jesse wusste nicht, was er sagen sollte. Er blickte zu dem großen Jungen auf.
    «Okay, okay», sagte Barry schließlich. «Komm mit. Ich will eine rauchen. Ich logg mich übers Smartphone ein und zeig dir, wie man einen Ball anschneidet. Aber dann muss ich wirklich gehen. Okay?»
    Der ältere Junge machte sich schon auf den Weg. Jesse eilte ihm nach.
    Draußen war es noch kälter geworden. Jesse sah Eiskristalle im Licht

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