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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
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Stunde verbrachte ich damit, in meinem kleinen Zimmer auf und ab zu gehen, wie ein in seinem Käfig eingesperrter Tiger. Hin und wieder hielt ich meinen Kopf soweit aus dem Fenster hinaus wie es nur ging, ohne hinunterzustürzen, um Ausschau nach Ryan zu halten. Doch es fehlte von ihm jede Spur. Ich verfluchte mich dafür, dass ich nicht genau nachgefragt hatte, was er mit „ein paar Stunden“ gemeint hatte, und meine Panik nahm immer mehr zu. Was, wenn er nie wieder kommt? Es spielten sich alle möglichen Horrorszenarien in meinem Kopf ab, bis er so sehr schmerzte, dass ich nur noch diesen stechenden, grauenvollen Schmerz wahrnahm. Als ich ihn nicht mehr aushalten konnte, erinnerte ich mich an den Knopf, den mir die Krankenschwester vor einigen Stunden gezeigt hatte und betätigte ihn. Sie eilte sofort in mein Zimmer: „Ist alles in Ordnung, Miss?“
    „Mein Kopf, bitte...“, stammelte ich mit meiner letzten Kraft, als mein Schädel zu explodieren drohte.
    „Haben Sie Kopfweh?“, erkundigte sich die Schwester, und ich schaffte es irgendwie, schwach zu nicken. „So schlimm, Miss?“, hackte sie nach.
    „Ja, du dumme Ganz!“, hörte ich meinen verzweifelten Schrei, doch als ich in ihr besorgtes Gesicht blickte, wurde mir klar, dass es sich um einen stummen Schrei handelte. Vielleicht ist es auch besser so, dachte ich, während der Schmerz vollkommen Besitz von mir ergriff.
    Ich musste eine Weile bewusstlos gewesen sein, denn, als ich wieder zu mir kam, wurde ich ausgerechnet von der Stimme begrüßt, die ich als die von Collin Mills alias Mister Ekel identifizierte.
    „Sie ist also schon wieder bewusstlos!“, hörte ich ihn gehässig schnauben, „wie praktisch!“
    „Es ist alles andere als praktisch, Officer“, erwiderte Ryan empört, „sondern überaus tragisch.“
    „Tragisch ist das, was sie dem armen Mann angetan hat, Herr Doktor“, krächzte Collin Mills. „Wachen Sie endlich auf, es wird ja langsam peinlich!“
    „Genauso empfinde ich es auch, Herr Kollege“, sagte Ryan unbeeindruckt, „einfach nur peinlich, wie Sie Ihrer perfekten Quote hinterher jagen, ohne Rücksicht auf Verluste!“
    „Apropos Verluste… Ich habe eine kleine Überraschung für Sie, Doc.“ Er legte eine sehr lange, effektvolle Pause ein, anscheinend wartete er darauf, dass Ryan ungeduldig nachhackte, doch er ließ sich auf sein Spielchen nicht ein, was mich insgeheim stolz auf ihn machte. „Wollen Sie denn gar nicht wissen, was es Neues im Fall „Schlafende Schönheit“ gibt?“, fragte Collin Mills enttäuscht, fast schmollend. Das Word „Fremdschämen“ erschien in großen, leuchtenden Buchstaben vor meinem inneren Auge.
    „Sie ziehen sich aus dem Fall zurück?“, fragte Ryan, und ich entnahm dem Klang seiner Stimme, dass er dabei breit grinste.
    „Träumen Sie weiter!“
    „Es wäre ja auch viel zu schön, um wahr zu sein“, seufzte Ryan schicksalergeben, „nicht, dass ich die Zusammenarbeit mit Ihnen nicht genießen würde, Verehrtester… Was haben Sie also Schönes zu berichten?“
    „Oh, etwas wahrhaftig Feines, mein Guter“, passte sich Mills Ryans Sprachweise an und imitierte seinen britischen Akzent. „Unsere Taucher haben eine Leiche aus dem Meer herausgefischt!“ Seine Stimme überschlug sich vor freudiger Erregung. „Einen weißen Mann circa Ende zwanzig, eins fünfundachtzig groß, muss ein strammer Bursche gewesen sein, leider ziemlich verwest, aber immer noch knackig genug, um identifiziert zu werden.“
    „Na, das klingt ja wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen“, erwiderte Ryan ironisch, „herzlichen Glückwunsch!“
    „Oh, wie liebenswürdig, ich danke Ihnen“, äffte Mills ihn nach. „Die Gerichtsmediziner sind gerade dabei, die Leiche zu untersuchen, doch egal, was dabei herauskommt, ist unsere liebliche schlafende Prinzessin nun offiziell die Hauptverdächtige!“
    „Da bin ich anderer Meinung“, sagte Ryan kühl.
    Ich hörte wieder ein schallendes Lachen und ein klatschendes Geräusch, Mills musste sich auf den dicken Oberschenkel geschlagen haben. „Das ist mir schon klar, so wie Sie die ganze Zeit auf ihre Titten starren!“
    „Ich starre ni cht auf ihre… Brüste“, wies Ryan ihn zurecht und erlaubte sich einen Hauch Sarkasmus: „Die einzigen Titten, wie Sie sie zu bezeichnen pflegen, die im Moment meine Aufmerksamkeit erregen, sind Ihre, Herr Kollege.“ Er ließ seine Stimme warm und besorgt klingen: „Wann haben Sie zum letzten Mal Sport getrieben?

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