Der Tag an dem ich erwachte
und weinte leise. Mein ganzer Körper erbebte vor heftigen Schluchzern.
„Was für eine Schande!“, sagte Greg voller Abscheu. „Ihr hättet tatsächlich ein perfektes Paar abgegeben. Zwei unwürdige, erbärmliche Feiglinge. Ihr widert mich an, alle beide! Du hast deine Chance vertan, Gail. Ich werde dich nicht vermissen!“ Ehe ich mich versah, riss er mir die Pistole energisch aus der Hand, zielte auf Robert und drückte ab. Wir beide kreischten um die Wette. Doch es folgte kein Schuss. Das Einzige, was zu hören war, war Gregs lautes Fluchen: „Verdammt, was soll das?“ Als ich mich endlich traute, meine Augen zu öffnen, sah ich, dass er immer noch auf Robert zielte, doch es erfolgte lediglich ein Klicken. Immer und immer wieder. Ich lachte schallend, tastete nach der Spritze in meiner Hosentasche, befreite sie daraus und rammte sie unsanft in Gregs Arm. Sein Körper erschlaffte augenblicklich und sank zu Boden.
„Was für eine Schande!“, wiederholte ich seine Worte gehässig und genoss seinen perplexen Blick. „Da staunst du, alter Mann, was?“, zischte ich voller Wut. „Wer ist nun erbärmlich? Wer ist nun ein Feigling? Du bist nicht mal mehr dazu in der Lage, eine Pistole zu laden, Großvater!“ Seine Pupillen weiteten sich, und ich fragte mich unwillkürlich, ob es an dem Beruhigungsmittel lag oder daran, dass er Angst hatte. Vermutlich war es beides. Und ja, er hatte Angst, eine Todesangst! Ich jubelte, mein Herz machte Luftsprünge vor lauter Freude: Greg hatte Angst vor mir, endlich! Das Gefühl, das ich dabei empfand, war so schön, dass ich es kaum in Worte fassen konnte. Eine derartige Euphorie hatte ich noch nie zuvor empfunden. Robert kauerte immer noch auf dem Boden und übergab sich in regelmäßigen Abständen. Wo Greg recht hatte, hatte er recht. Robert war nicht der richtige Mann für mich. Dennoch hatte er es nicht verdient, zu sterben. Im Gegensatz zu Greg…
Ich handelte schnell und routiniert, fast wie eine ausgebildete Krankenschwester. Vielleicht sollte ich mich tatsächlich zu einer Krankenschwester ausbilden lassen, dachte ich abwesend, während ich die Fläschchen, die Gummihandschuhe und die Ersatzspritze aus meiner Hosentasche befreite und sie auf dem Boden vor Gregs wunderbar reglosem Körper ausbreitete. Sein Blick war mittlerweile glasig, doch ich merkte, dass er trotzdem alles wahrnahm, was um ihn herum geschah. Es war einfach nur perfek t! Ich spritzte ihm den Rest des Beruhigungsmittels in den Arm und beobachtete, wie er angestrengt mit dem Schlaf kämpfte und den Kampf schließlich verlor. So wie ich damals, Greg, dachte ich schadenfroh.
„Gail, was machst du mit ihm?“ Robert erwachte endlich aus seiner Starre und hörte auf zu kotzen.
„Das, was ihm zusteht“, erwiderte ich.
„Der Mann ist höchst gefährlich!“, warnte mich Robert, „ruf lieber die Polizei!“
„Das ist keine gute Idee“, lächelte ich fröhlich, und Robert zuckte schmerzlich zusammen. Er war nur noch ein Nervenbündel aus Angst und Schmerz, und ich hatte nichts mehr als Mitleid für ihn übrig. „Geh in die Küche, Robert!“, befahl ich. „Setz dich hin und beruhige dich. Trink ein Glas Wasser. Du bist nicht mehr in Gefahr. Ich habe alles unter Kontrolle! Sobald das hier zu Ende ist, werde ich dir Bescheid geben, dann bist du wieder vollkommen frei, mein Süßer! Als wären wir uns nie begegnet. Es tut mir leid, dass ich dich in diese hässliche Sache hineingezogen habe“, fügte ich ehrlich bedauernd hinzu. Er nickte matt mit dem Kopf und entfernte sich mit schleppenden Schritten. Gut. Denn das, was ich mit Greg nun vorhatte, ging nur uns beide etwas an.
„Greg, wach auf!“, sagte ich zu dem leblosen Körper. Er folgte keine Reaktion. Natürlich, wie denn auch? Ich hatte ihn ja eigenhändig außer Gefecht gesetzt. Für eine Weile genoss ich das Gefühl der Macht, doch bald stellte ich fest, dass es mir nicht ausreichte. Ich wollte ihn leiden sehen, so wie er einst mich leiden sehen hatte. Also griff ich nach der Ersatzspritze und füllte sie mit Adrenalin. Rammte sie sie ihm direkt in die Pulsader und beobachtete erfreut, wie seine Augenlieder flatterten, bevor er mir endlich in die Augen blickte. Hellwach.
„Na, wie gefällt es dir, Greg?“, fragte ich zärtlich und hauchte ihm einen innigen Kuss auf den Mund. „Liebling. Mein Liebling… Du bist doch mein alles, mein Leben!“, säuselte ich und beobachtete seine Reaktion ganz genau. Seine Angst legte sich wie ein
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