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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
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Geschäftsmann, und als er Ava sah, ging er sofort auf meinen Vorschlag ein. Ava war schon immer ein überdurchschnittlich hübsches Mädchen gewesen, doch nach ihrer Pubertät reifte sie zu einer richtigen Schönheit heran. Sie war das genaue Gegenteil von mir: Ich war groß und gertenschlank, hatte dunkle Haare und helle Augen, sie war eher klein und kurvig, hatte honigblonde Haare und samtbraune Rehaugen, die ihr herzförmiges Gesicht dramatisch dominierten. Als Duo waren wir einfach unschlagbar, und die Bar füllte sich innerhalb kürzester Zeit mit neuen männlichen Gästen, die nur unseretwegen kamen. Unser eisiger Umgang mit unseren Verehrern kurbelte ihr Interesse umso mehr an. Als die Umsätze so in die Höhe stiegen, dass unser Chef es sich auf keinen Fall leisten konnte, uns zu verlieren, biss er in den sauren Apfel und stellte zusätzlich einen Türsteher ein, der uns vor besonders aggressiven Annäherungsversuchen der Gäste beschützte und uns nach der Arbeit nach Hause fuhr. Ava spielte schon immer mit dem Gedanken, Schauspielerin zu werden, und ich fand, dass sie eine reale Chance dazu hatte. Denn sie war wirklich begabt! Ab und zu, wenn wir beide frei hatten, vertrieben wir uns die Zeit damit, uns gegenseitig die Szenen aus unseren Lieblingsfilmen vorzuspielen, die wir mittlerweile auswendig kannten. Avas ausdrucksstarke Stimme, ihre anmutige Mimik und Gestik gepaart mit ihrem bezaubernden Äußeren machten sie für mich zu einem perfekten Filmstar, was ich ihr bei jeder Gelegenheit inbrünstig beteuerte. Schließlich traute sie sich, zu einem Vorsprechen nach London zu fahren. Es handelte sich um eine kleine Filmproduktion, doch fast alle berühmten Stars fingen einst klein an, sagte ich ihr, als sie ihre Rolle erneut vor dem Spiegel probte. „Du bist großartig, Avie“, wiederholte ich überzeugend immer und immer wieder und versuchte, meine ganze Zuversicht in meine Stimme zu legen, „du wirst es schaffen! Doch sie schaffte es nicht, nicht einmal für eine kleine, unbedeutende Rolle. Nicht das erste, nicht das zweite, und auch nicht das dritte Mal. Sie fuhr immer wieder nach London, gab ihr ganzes Erspartes für die Zugtickets und die passenden Outfits aus, um einige Stunden danach enttäuscht und völlig am Boden zerstört zurückzukehren. Ich wiegte sie tröstend in meiner Umarmung, trocknete ihre Tränen und versprach ihr, dass es nächstes Mal bestimmt klappen würde. „Du hast ein großes Talent, Avie!“, redete ich beschwörend auf sie ein, während sie sich an meiner Schulter ausweinte, „du darfst nicht aufgeben! Eines Tages wirst du es schaffen, davon bin ich überzeugt!“
    Eines Abends beehrte uns unser Chef mit seiner Anwesenheit, ausgerechnet, als ich damit beschäftigt war, einem besonders aufdringlichen Gast auf eine nicht wirklich freundliche Art und Weise eine Abfuhr zu erteilen. Als ich den Chef sah, zuckte ich ängstlich zusammen. Würde er mich jetzt feuern? Was würde meine Mutter dazu sagen, wenn sie erfuhr, dass mein Verdienst nun ausfiel? Doch mein Chef wirkte absolut entspannt, als er die hässliche Szene beobachtete. Er ließ den besagten Gast sogar sofort von dem Türsteher rausschmeißen und erteilte ihm ein Hausverbot. Danach nahm er mich zur Seite und eröffnete mir, dass er mich zur Filialleiterin befördern wollte, was mir weitere zwei Dollar pro Stunde mehr einbrachte. Oh mein Gott! Ich konnte es kaum fassen, fühlte mich so glücklich wie noch nie zuvor und unterschrieb sofort den neuen Vertrag.
    Um meine Beförderung zu feiern, lud ich Ava an unserem freien Tag zum Essen ein. Zum ersten Mal in unserem Leben speisten wir in einem richtig feinen Restaurant, dafür hatten wir uns besonders schick gemacht. Das Essen schmeckte vorzüglich, und ich hatte uns zur Feier des Tages sogar eine Flasche Champagner bestellt. Wir kicherten leise und schmiedeten Zukunftspläne, die zwar nichts mit der Realität zu tun hatten, dafür waren sie aber umso schöner. Plötzlich kam der Kellner und brachte und zwei Cocktails.
    „Die haben wir nicht bestellt!“, sagte Ava und starrte mich entsetzt an. Sie hatte sowieso von Anfang an schlechtes Gewissen, sich von mir einladen zu lassen, obwohl ich ihr mehrmals versichert hatte, dass ich es gern tat.
    „Die Cocktails sind von den beiden Herren, die an der Bar sitzen“, schmunzelte der Kellner. „Sie möchten Sie gern einladen. Soll ich sie wieder fortbringen?“
    Wir sahen uns unsicher an, schließlich kicherte Ava und sagte:

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